(„Peter Pan“ directed by Clyde Geronimi, Wilfred Jackson, Hamilton Luske, 1953)
Für Wendy gibt es nichts Größeres, als ihren beiden kleinen Brüdern vor dem Schlafengehen Geschichten von Peter Pan zu erzählen, der im fernen Nimmerland fantastische Abenteuer erlebt. Wendys Vater ist von dem Enthusiasmus seiner Kinder eher weniger angetan, vor allem nicht, wenn sie ihm mal wieder die Manschettenknöpfe stibitzen, um damit Schatzsuche spielen zu können. Deswegen steht die Entscheidung fest: Wendy soll raus aus dem Kinderzimmer und endlich erwachsen werden. Doch noch bevor es dazu kommt, taucht der echte Peter Pan auf, um seinen Schatten zu suchen, und nimmt die drei mit in sein wundersames Land.
Was lange währt, wird endlich gut? Nicht nur, dass Peter Pan von dem nicht immer ganz einfachen Weg ins Erwachsenenalter erzählt, der Film selbst hatte eine Reihe von Widerständen zu überwinden. Ursprünglich hatte Walt Disney vorgesehen, die berühmte Buch- bzw. Bühnengeschichte von James M. Barrie als zweiten Zeichentrickfilm nach Schneewittchen und die sieben Zwerge in die Kinos zu bringen. Zunächst scheiterte er jedoch daran, die Rechte zu bekommen, dann kam ihm der Zweite Weltkrieg dazwischen, später war man sich uneinig, wie der Stoff überhaupt zu adaptieren wäre. Aus der geplanten Nummer zwei wurde so am Ende eine 14, bis 1953 dauerte es schließlich, bis der Film fertiggestellt wurde.
Gut ist das Ergebnis dann auch, aber nicht wirklich mehr als das, zu sehr bleibt der Film am Ende Stückwerk. Auffällig ist beispielsweise, dass das Tempo nicht immer ganz durchdacht ist. Während sich Peter Pan sehr viel Zeit mit der Einführung der Figuren lässt, muss es später oft sehr schnell gehen. Einige Sequenzen, etwa das Finale, sind vorbei, bevor sie eine echte Wirkung erzählen können, dafür sind andere zu sehr in die Länge gezogen oder bringen dem Film nicht viel. Und auch Wendys Entwicklung zu einer Erwachsenen, quasi das Zentrum der Geschichte, ist hier sehr überhastet. So schön die Idee ist, die Abenteuer in Nimmerland als Bild dafür zu verwenden, so unvollständig ist es; ihre Entscheidung zum Schluss, das Kinderzimmer verlassen zu wollen, wird kaum durch das vorbereitet, was davor kam.
Denn eigentlich ist Peter Pan eine Liebeserklärung an das Kindsein, ein Appell an das Kind in uns allen. Fantasie ist wichtiger als Vernunft, so lautet das Motto des Jungen, der nie erwachsen werden wollte. Mit ihm und den „verlorenen“ Kindern durch Nimmerland zu tollen, hat dann auch wirklich etwas Befreiendes: Hier kann jeder machen, was er will, die Erwachsenen zum Narren halten, teilweise sogar fliegen. Nimmerland ist wie ein überdimensionierter Kinderspielplatz, wo dem anarchischen Spaß keine Grenzen gesetzt sind. Das wird manchmal als Ort der Unschuld verklärt, ist an vielen Stellen aber erstaunlich grausam, so wie Kinder eben auch nicht unbedingt ganz reine Seelen haben. Dass ein Junge einem erwachsenen Mann eine Hand abhackt und an ein Krokodil verfüttert, würde heute wohl kaum mehr in einem Disney-Film Platz finden. Und Tinkerbell, die hier noch Naseweis hieß, hat nur wenig mit der tapferen Heldin gemeinsam, die sie in ihrer derzeitigen eigenen Filmreihe sein darf. 1953 war sie noch zu Schabernack aufgelegt, zögerte in ihrer Eifersucht auch nicht davor zurück, Wendy töten zu wollen.
Als Vorbildfunktion taugt eine solche Figur natürlich weniger, diese dunklen Elemente vertragen sich auch nicht so recht mit dem sehr actionbetonten, kindlichen Slapstick, der zwischenzeitlich dominiert. Spaßig sind die Auftritte der missgünstigen Fee jedoch in jedem Fall. Während Peter Pan und Wendy schon immer eher langweilige Figuren waren, lebt der Film allgemein von den Leuten drumherum. Grandios ist natürlich Hook, der sich immer wieder Kämpfe mit dem ihm verfolgenden Krokodil liefert und zu den besten Schurken der Disney-Geschichte ezählt. Auch dessen tollpatschiger Gehilfe Smee ist immer wieder für Lacher gut. Bei den Indianern funktioniert das schon deutlich weniger, deren stereotype Darstellung ebenso wie die sexistischen Zendenzen und die schon sehr sentimentale Musik ein eindeutiges Produkt ihrer Zeit sind. Ein optisch ansprechender Klassiker mag Peter Pan sein, an den sich viele gern zurückerinnern und der knapp 50 Jahre später sogar noch eine Fortsetzung erhielt (Peter Pan: Neue Abenteuer in Nimmerland). Zeitlos ist er trotz seines universellen Themas – erwachsen werden muss jeder einmal – aber nicht wirklich.
(Anzeige)