Das Fernsehprogramm ist mal wieder nur Müll und besteht aus lauter Wiederholungen? Ja, stimmt schon. Aber dafür gibt es auch einen guten Grund: In der Auslage ist nichts Besseres, und für die Spitzensendungen fehlt mir das Geld. Wie immer. Nein, dankbar ist meine Arbeit nicht. Da rackere ich mich als Direktor eines Fernsehsenders ab, um die größten Talente an Land zu ziehen, ein möglichst abwechslungsreiches Programm auf die Beine zu stellen und die Zielgruppe so gut zu bedienen, damit auch die Werbeeinnahmen sprudeln. Und am Ende will doch alles nicht so, wie ich es will, sei es weil meine bis zu drei Mitspieler in „Prime Time“ mir die wichtigsten Karten vor der Nase wegschnappen. Sei es, weil Fortuna mal wieder meinte, andere Pläne zu haben und nichts Passendes für mich bereit hält. Und ich darf mir wieder nur Gemecker anhören, das der Zuschauer, aber auch mein eigenes.
Aber kehren wir an den Ort des kulturellen Verbrechens zurück und erzählen ganz von vorne. Am Anfang jeder der sechs Spielrunden steht die Entwicklungsphase. Hier darf ich drei meiner Marker setzen, um so bestimmte Aktionen ausführen zu können. Beispielsweise kann ich auf diese Weise die Spielerreihenfolge verändern, ein bisschen die Demographie des Publikums manipulieren oder auch eine Wiederholungskarte organisieren, um so Sendeplätze zu füllen. Noch schöner als schnöde Wiederholungen sind aber richtige Sendungen, weil ich auf diese Weise mehr Zuschauer an mich binde und prestigeträchtige Auszeichnungen einheimsen kann. Nur sind richtige Sendungen natürlich teuer, besonders, wenn ich hier auf Qualität achte. Und entgegen bösartiger Gerüchte: Ja, Qualität ist mir als Programmdirektor wichtig. Wenn ich sie mir leisten kann.
Nicht umsonst enthält das Wort Qualität übrigens auch Qual, denn eine solche ist es, mir die passende Sendung auszusuchen. Unterschiede gibt es hier nicht nur in der Qualität (sprich Einkaufspreis) und im Zuschauerpotenzial (Anzahl und Zusammenstellung), sondern auch bei der Laufzeit (Einmalshow, Mini-Serie, Serie) und dem Genre. Wer es schafft, jeden Tag ein anderes Genre zu bedienen, bekommt Extrapunkte. Und Punkte sind spielentscheidend. Punkte brauche ich, um der Welt zu zeigen, dass ich besser bin als meine Konkurrenz und den Siegertitel verdient habe. Das Genre spielt aber auch in anderer Hinsicht eine große Rolle: Gibt es Übereinstimmungen bei dem Genre der Show und der meiner Talente (z.B. Schauspieler oder Regisseur), darf ich mir am Ende der Woche mehr Demographiewürfel nehmen. Und für die gibt es Geld, welches ich in neue, bessere Sendungen investieren kann.
Nach diesem Prinzip funktioniert „Prime Time“ dann auch: Sechs Runden lang stecke ich Geld in Sendungen und Talente, stelle meine Wochenplanung zusammen, versuche dabei auf die prognostizierte Demographie der einzelnen Tage zu achten (wer schaut wann fern?), um mit einem maßgeschneiderten Programm möglichst viele Zuschauer anzulocken. Belohnt werde ich für meine Mühen – sofern es der Zuschauer will – mit Geld und wichtigen Fernsehpreisen, die mir Punkte bringen. Anfangs will mir das naturgemäß kaum gelingen, als Anfänger sind meine Möglichkeiten begrenzt. Erst im Laufe der ein bis zwei Stunden dauernden Partie habe ich tatsächlich Einfluss aufs Geschehen.
Glück spielt dabei im begrenzten Maße eine Rolle, schließlich werden die zum Kauf stehenden Sendungen und Talente jede Runde zufällig gezogen. Und manche passen einfach besser ins Sortiment als andere. Ansonsten aber ist das Spiel des Amerikaners Elad Goldsteen vor allem für Planer gedacht, was die insgesamt kurzweiligen Partien bei notorischen Entscheidungsmuffeln am Tisch etwas in die Länge zu ziehen droht. In der Zwischenzeit kann ich aber die witzigen Kartentexte lesen, welche populäre Fernsehformate durch den Kakao ziehen. Allgemein ist das Drumherum liebevoll gestaltet, das Spielprinzip zwar nicht komplett neu, aber doch gut ans Thema angepasst. Die Abwechslung hätte etwas höher sein können, da fehlen die Routine durchbrechende Ereignisse. Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass manche Aktionen kaum genutzt werden – etwa die Personalabteilung –, man doch immer wieder dasselbe macht, auch der Golfplatz will irgendwie so gar nicht zum Fernsehgeschäft passen. Schade ist zudem, dass es zu keiner echten Interaktion mit meiner Konkurrenz kommt: Talente verkaufen ist nicht, höchstens beim gegenseitigen Überbieten im Einkauf kommt es zu direkten Konfrontationen. Insgesamt aber bin ich gerne Direktor meines Senders, feile an meinen Sendungen, sehe mit Genugtuung, wie meine Zuschauer immer zahlreicher werden, und klopfe mir auf die Schulter, wenn meine Preisesammlung nörgelnden Kritikern zeigt, dass eben doch nicht alles Müll ist, was läuft. Man muss nur genauer hinschauen.
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