Sing Street
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Sing Street

(„Sing Street“ directed by John Carney, 2016)

„Sing Street“ läuft ab 26. Mai im Kino

Viel zu lachen hat Conor (Ferdia Walsh-Peelo) daheim ja nicht mehr: Die Ehe seiner Eltern (Aidan Gillen, Maria Doyle Kennedy) befindet sich im Dauerkrisenzustand, zudem ist das Geld in der Familie knapp geworden. Die Folge: Conor muss an eine günstigere Schule wechseln, der Finanzen wegen. Viel Freude bereitet ihm das nicht, vor allem Bruder Baxter (Don Wycherley), der die Einrichtung mit harter Hand leitet, macht ihm von Anfang an das Leben schwer. Doch zum Glück ist da immer noch die schöne Raphina (Lucy Boynton), in die sich der Junge auf Anhieb verliebt. Um seiner Traumfrau näherzukommen, erzählt er ihr, Sänger einer Band zu sein, welche für das nächste Musikvideo ein Model braucht. Die Reaktionen Raphinas sind vielversprechend. Ein Problem hat Conor jedoch: Es gibt diese Band gar nicht, Musik hat er auch noch nie gemacht. Mit dem kreativen Wunderkind Darren (Ben Carolan) findet er jedoch schnell einen Gleichgesinnten, und auch Conors älterer Bruder Brendan (Jack Reynor) hat diverse musikalische Tipps auf Lager.

Zurück zu den Wurzeln: Zum dritten Mal widmet sich der irische Regisseur und Drehbuchautor John Carney in einem seiner Filme der verbindenden Kraft der Musik. Dieses Mal orientiert er sich jedoch wieder mehr an Once, jenem Indiedrama, welches ihn 2007 berühmt gemacht, weniger an dem glatten Can A Song Save Your Life?, das mit international hochkarätiger Besetzung den nächsten Karriereschritt einleiten sollte. Mit Aidan Gillen und Jack Reynor sind zwar zwei bekanntere Darsteller dabei, deren Auftritte beschränken sich jedoch eher auf die Seitenlinie. Die eigentliche Bühne, die gehört den Nachwuchsdarstellern, die teilweise hier sogar ihr Spielfilmdebüt gaben.

Carney bewies bei dieser Wahl ein ausgesprochen gutes Händchen. Nicht nur, dass sein junges Ensemble einen absolut fantastischen Job macht, es hilft der Authentizität des Films ungemein. Schließlich geht es hier darum, wie ein Niemand zu einem Jemand wird, wie einer über sich hinauswächst, um das Mädchen seiner Träume zu beeindrucken. Auch sonst legte der Ire viel Wert auf ein stimmiges Drumherum. Gerade Fans oder zumindest Zeitzeugen der 80er werden hier ihre helle Freude haben: Sing Street ist vollgestopft mit liebevollen Details, von der Kleidung über die Einrichtung bis hin zu den Fernsehsendungen. Und natürlich auch die Musik. Duran Duran, The Cure, A-ha, The Clash – der Film ist ein zuweilen wilder Ritt durch eine musikalische Epoche. Dass die einzelnen Musikrichtungen nicht so ganz zusammenpassen ist kein Mangel, im Gegenteil: Wenn Conor und Darren ständig ihre akustischen Vorlieben austauschen, einhergehend mit dem passenden Kleidungsstil, dann ist das eben auch Ausdruck einer in dem Alter noch sehr präsenten Identitätssuche.

Doch das ist gleichzeitig auch das Problem: Es wird nie so ganz klar, wer denn nun von dem Film angesprochen werden soll. Gerade in der ersten Hälfte wimmelt Sing Street von Anspielungen, Zeitkolorit und kleinen Gags, welche nur tatsächlich genießen kann, wer mit der damaligen Zeit etwas verbindet – was ein gewisses Alter voraussetzt. Als Erwachsener darf man sich jedoch daran stören, dass der Film im weiteren Verlauf zunehmend stromlinienförmiger und konventioneller wird, am Ende ist die ohnehin nicht übermäßig originelle Geschichte kaum noch von den zahlreichen Teenieromanzen zu unterscheiden, die jedes Jahr auf einen herabprasseln.

Das jüngere Zielpublikum wird sich davon kaum den Spaß verderben lassen, da stehen Bestätigung und Träumerei meist etwas höher Kurs als das Bedürfnis nach Überraschung. Dieses wiederum wird kaum verstehen können, warum die Erwachsenen um sie herum anfangs so viel lachen, von den kuriosen Klamotten und Frisuren vielleicht einmal abgesehen. Eigentlich zerfällt der Film auch zunehmend in zwei Teile, die – sofern man nicht komplett von dem unbestreitbaren Charme von Sing Street gefangen ist – einfach nicht zusammenpassen. Und das ist nicht das einzige Beispiel für einen recht holprigen Erzählstil: Die wunderbaren Do-it-yourself-Anfänge werden sehr schnell fallengelassen, der Übergang zum Profi wird kaum gezeigt, plötzlich spielt und singt jeder so, als hätte er das sein Leben lang schon getan. Die Mitstreiter der Band verkommen zudem nach den humorvollen Einführungen zu reinen Hintergrundkulissen. Man erfährt kaum etwas über sie, allgemein haben hier viele Figuren nur eine Funktion, aber keinen Charakter – da hat Carney seinen ansonsten sehr liebenswerten Film sehr lieblos runtergeschrieben. Und das ist sehr schade, denn eigentlich hatte sein letztes Werk so viele Sympathiepunkte gesammelt, dass da doch sehr viel mehr drin gewesen wäre als eine „nur“ nette Musik-Tragikomödie.



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„Sing Street“ begeistert zunächst mit dem aus „Once“ bekannten Indie-Do-it-yourself-Charme, fantastischen Nachwuchsdarstellern und witzigen 80er Jahre Hommagen. Zum Ende wird es aber sehr konventionell und glattgebügelt, diverse Figuren verkommen zu einem reinen Mittel zum Zweck.
6
von 10