(„Strangerland“ dirrected by Kim Farrant, 2015)
Es hätte ein Neuanfang für die Parkers sein sollen, es endete aber im Desaster: Als Catherine (Nicole Kidman) und Matthew (Joseph Fiennes) mit Sohn Tommy (Nicholas Hamilton) und Tochter Lily (Maddison Brown) in die kleine Stadt Nathgari im australischen Outback ziehen, sind es vor allem die beiden Kinder, die sich schwer mit der neuen Umgebung tun. Immer wieder kommt es zu Unstimmigkeiten, bis die beiden eines Nachts plötzlich verschwinden, und das ausgerechnet bevor ein schwerer Sandsturm die Kleinstadt heimsucht. So sehr sich der hiesige Polizist David Rae (Hugo Weaving) auch bei den Ermittlungen bemüht, die beiden bleiben wie vom Erdboden verschwunden – was nicht nur zwischen den Eheleuten zu Konflikten führt.
Es ist schon ein etwas seltsames Filmdebüt, welches die Regisseurin Kim Farrant hier abgeliefert hat. Zwei verschwundene Kinder, das ist eigentlich der Stoff, aus dem Krimis und Thriller gemacht werden. Und irgendwie ist Spurlos – Ein Sturm wird kommen das dann auch, wenn zwei Stunden nach Spuren gesucht wird, die doch nie wirklich wohin führen. So wie sich hier alles im Dunkel des Outbacks verliert. Aber eben nur irgendwie. Langsam, fast in Zeitlupe, wie die verschwindende Abendsonne, verändert sich der Fokus. Am Ende sind es nicht die Kinder, um die es hier geht, auch nicht der Fall. Sondern die, die zurückbleiben: die Eltern.
Das erinnert ein wenig an Prisoners, wo ebenfalls zwei verschwundene Kinder den Anlass für eine Mischung aus Thriller und Charakterdrama bieten. Während der Kanadier Denis Villeneuve jedoch an den Abgründen interessiert ist, die ein solches Unglück verursacht, schaut die Australierin lieber zurück, sucht die Abgründe, welche das Unglück zum Teil zumindest erst hervorgerufen hat. Mit spannenden moralischen Fragen ist der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2015 daher nicht verbunden, so wie Spannung allgemein nicht die ganz große Stärke von Spurlos aka Strangerland ist. Wer den australischen Film nur schaut, um das Schicksal der Kinder mitzuverfolgen, wird angesichts der auf der Stelle tretenden Geschichte unweigerlich gelangweilt, vielleicht sogar verärgert sein – die Art und Weise, wie hier mit den Erwartungen der Zuschauer umgegangen wird, grenzt schon an Dreistigkeit.
Dafür funktioniert der Film als Porträt einer Familie, die auseinanderbricht, die es vermutlich schon lange vor dem Unglück war. Immer wieder mündet der Konflikt in emotionaler Kälte, später auch in einem langsamen Abgleiten in den Wahnsinn. Beides wird durch einen mysteriösen Score, vor allem aber durch die wunderbaren Bilder stilecht unterstützt. In großen Landschaftsaufnahmen, die gleichzeitig die Freiheit des Outbacks zeigen, aber auch etwas Bedrückendes haben, wird das Strangerland zu einem Ort, in dem jeder ein Fremder ist. Ein Fremder in der Natur, ein Fremder untereinander.
Natürlich hätte das Ganze noch ein wenig mehr Tiefgang vertragen, ganz schlüssig sind die Reaktionen der Figuren nicht immer. Wie sie zu dem geworden sind, der sie sind, bleibt am Ende genauso rätselhaft wie das Schicksal der Kinder, Strangerland ist kein Film der tatsächlichen Antworten. Aber allein für die heiß-frostige, oft etwas unwirkliche Atmosphäre lohnt es sich, der Familie Parke bis ans andere Ende der Welt zu folgen.
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