(„Tokyo Marble Chocolate“ directed by Naoyoshi Shiotani, 2007)
Sie sind jetzt schon eine Weile zusammen, so richtig gut läuft es bei Chizuru und Yuudai aber nicht. Die von früheren Beziehungen enttäuschte Chizuru will nicht erneut das Nachsehen haben und beschließt deshalb, sich von ihrem Freund zu trennen. Ein letztes Date sollen sie aber haben, damit die gemeinsame Zeit mit einer schönen Erinnerung endet. Der schüchterne Yuudai wiederum, welcher endlich seine wahren Gefühle zeigen will, hat sich etwas ganz Besonderes vorgenommen, um ihr Herz zu gewinnen. Nach einer folgenschweren Verwechslung kommt aber alles ganz anders. Und das ist nicht das einzige Missverständnis, welches das Gefühlsleben der beiden in ein einziges Chaos stürzt.
Naoyoshi Shiotani und Production I.G, das verbindet man normalerweise mit etwas härteren Stoffen. Der düsteren Zukunftsdystopie Psycho-Pass zum Beispiel. Oder auch der blutigen Vampiraction von Blood-C – The Last Dark. Weniger bekannt ist eine frühere Zusammenarbeit aus dem Jahr 2007, welche den jeweiligen 20. Geburtstag des japanischen Animationsstudios und von BMG Japan feiern sollte, in der sich die Animekünstler von einer ganz anderen, sehr viel sanfteren Seite zeigen.
Das ist schon auf den ersten Blick sichtbar: Wo bei den Werken oben dunkle Farben dominierten, triste Bilder ohne Licht und Hoffnung, bleibt Tokyo Marble Chocolate selbst während seiner Nachtszenen freundlich. Alles ist hier in zarten Pastelltönen gehalten, so zart und gebrechlich wie es die Geschichte auch ist. Allgemein sind Inhalt und die sehr schöne visuelle Umsetzung sehr passend zueinander gewählt. Die beiden Protagonisten sind etwas älter und grundsätzlich realistisch gezeichnet, aber doch mit comichaften Zügen.
Denn auch die Erzählung wandelt an der Grenze zwischen Realismus und Fantastik. Wunderbar ist, wie hier Menschen dargestellt werden, denen man ihre jeweiligen Geschichten durchaus abnimmt. Sie sind weder große Helden noch große Opfer, hatten teilweise vielleicht etwas Pech, standen sich ansonsten aber vor allem immer selbst im Weg. Das macht es einfacher, sich für ihr Schicksal zu interessieren, im Gegensatz zu den in Animes oft idealisierten oder überdramatisierten Figuren fällt es hier nicht schwer, sich in beide hineinzuversetzen.
Ein Kniff dabei: Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt, und das sehr konsequent. Zwei Folgen sind es, aus denen Tokyo Marble Chocolate besteht, jede von ihnen etwa 27 Minuten lang. Und jede davon entscheidet sich für die Position einer der beiden Figuren. Während wir zunächst Yuudais Version der Ereignisse hören dürfen, wird anschließend in Chizurus Fassung die Gegenseite gezeigt. Allzu ambitioniert wird man dabei zwar nicht, es gibt keine der subjektiven Wahrnehmung geschuldeten Widersprüche. Aber es ist doch unterhaltsam, wie sich Missverständnisse erst durch diese Dopplung auflösen oder auch als solche erkennbar werden. mancher Aha-Effekt erst verspätet eintritt.
Abgerundet wird das Vergnügen durch einen tierischen Begleiter, auf dessen kleinen Schultern die Komik des Animes ruht und durch dessen Auftritt das befreiende Chaos erst entsteht. Natürlich ist die Geschichte trotz allem nicht wirklich neu, verlässt sich zudem auf die genretypischen Zufälligkeiten, um ans Ziel zu kommen. Irgendwie will man dasTokyo Marble Chocolate aber nicht wirklich übelnehmen, dafür ist das Ergebnis zu charmant, stellenweise auch zu witzig. Schön daher, dass die etwas andere Romanze diese Woche neu auf DVD aufgelegt wird. Vielleicht entdecken dann ja noch mehr Freunde der japanischen Zeichentrickkunst diesen kleinen Geheimtipp.
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