(„X-Men: Apocalypse“ directed by Bryan Singer, 2016)
Tausende Jahre hat der einst als Gott verehrte Apocalypse (Oscar Isaac) geschlafen, nachdem eine Gruppe ehemaliger Anhänger rebellierte und den übermächtigen Mutanten lebendig begrub. Bis er eines Tages nicht ganz freiwillig aus seinem Schlaf gezerrt wird. Viel hat sich in der Zwischenzeit getan, manches jedoch ist gleichgeblieben: Noch immer beten die Menschen die falschen Götter an, noch immer fristen Mutanten ein Schattendasein. Beides soll nun in einer groß angelegten Zerstörungsaktion geändert werden, wofür Apocalypse schnell willige Helfer findet – darunter auch Magneto (Michael Fassbender), der nach einer persönlichen Tragödie das Ende der Menschheit anstrebt. Es liegt nun an dessen altem Freund und Widersacher Prof. X (James McAvoy), zusammen mit alten wie neuen Mitstreitern diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen.
So sehr wurde in den letzten Jahren darüber gemeckert, dass die einzelnen Beiträge des Marvel Cinematic Universe den ewig gleichen Erfolgsformeln folgen, dass dabei ganz übersehen wurde, wie sehr sich auch die X-Men im Kreis drehen. Konnte der letzte Teil Zukunft ist Vergangenheit das durch die forcierte Zeitreise, die Rückkehr alter Figuren und eine Konzentration auf einige wenige Mutanten noch geschickt kaschieren, fällt diese Eintönigkeit bei Apocalpyse nun auch dem letzten auf. Denn dieses Mal wird nicht einmal mehr so getan, als hätte man eine neue Geschichte zu erzählen. Noch immer sind es dieselben Konflikte, welche die Mutanten umtreiben, noch immer sind es einige wenige, die in ihrem Hass auf die Menschen alle anderen Mutanten terrorisieren. Während in Zukunft ist Vergangenheit aber noch ziemlich viel Zeit investiert wurde, um die jeweiligen Abgründe von Magneto, Xavier und Mystique zu beleuchten, muss diesmal eine einzige Szene herhalten, damit Magneto wieder in alte Muster verfällt. Ein bisschen billig ist das schon und dennoch besser als bei den meisten anderen Figuren, die nicht einmal das bekommen und zu bloßen Mitläufern werden.
Die sind dafür dieses Mal wieder sehr zahlreich geworden. Beschränkten sich beim Vorgänger die Neuzugänge größtenteils auf die belanglose Gegenwart, wird nun aus dem Vollen geschöpft. Neben Oberbösewicht Apocalypse dürfen wir uns auf die Wiederkehr alter Helden wie Mystique (Jennifer Lawrence), Beast (Nicholas Hoult) und Havok (Lucas Till) freuen, sowie auf Neuauflagen alter Helden, darunter Jean Grey (Sophie Turner), Cyclops (Tye Sheridan) und Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee). Und Evan Peters, der letztes Mal als Quicksilver vielen Alteingesessen die Show gestohlen hat, darf in Apocalypse sogar etwas länger mitmischen und den Grundstein für weitere Filme legen. Und das ist eine sehr willkommene Nachricht: Auch wenn die Wiederholung seiner Kultszene aus Zukunft ist Vergangenheit nicht mehr den Überraschungseffekt hat, sorgt sie doch für einen humorvollen Lichtstrahl inmitten des düster-trüben Geschehens. Gleiches gilt für das wundervolle Aufeinandertreffen von Xavier und der CIA-Agentin Moira MacTaggert (Rose Byrne), die wie so viele Figuren aus Erste Entscheidung vorschnell aufgegeben wurde.
Das enorm erweiterte Personenkarussell hat zwar den Nachteil, dass viele Neuzugänge kaum ausgearbeitet werden, vor allem die Helfer von Apocalypse bleiben ziemlich nichtssagend, die gewaltige schauspielerische Klasse des Ensembles wird nicht ansatzweise genutzt. Dafür gibt es jetzt wieder sehr viel mehr Spezialfähigkeiten zu bestaunen, von denen die meisten sogar einen tatsächlichen Nutzen haben. Das gilt vor allem für den Schluss, wenn es nach vielen herumgewedelten Karotten endlich zum Hauptgericht übergeht und zum obligatorischen Showdown zwischen den Superhelden und den Superschurken kommt. Nein, an die schon jetzt legendäre Szene von The First Avenger: Civil War kommt das hier nicht heran, dafür wurde auch hier zu sehr auf Altbewährtes gesetzt. Aber wenn Blitze durch die Luft zucken, Gebäude sich in den Himmel erheben und zwischendurch auch einfach mal nur kräftig zugehauen wird, dann ist das schon eine schick anzusehende Materialschlacht.
Ohnehin ließ man sich bei der effektreichen Optik nicht lumpen, vor allem der kolossale Auftakt ist eine beeindruckende Demonstration von Computerkenntnissen. Dafür schlampte man an anderer Stelle: Mehr als zwanzig Jahre sind zwischen den Ereignissen von Erste Entscheidung und Apocalypse vergangen, an den Figuren ist das aber nicht zu erkennen, in der Welt der X-Men scheint sich niemand wirklich für die Zeit zu interessieren. Und auch die 80er-Jahre Ausstattung ist etwas lieblos, gerade auch im Vergleich zu dem Vorgänger, der doch deutlich mehr mit seinem Zeitkolorit punkten wollte. Aber so ist Apocalypse nun mal: Der Einsatz ist so hoch wie nie, geht es doch um nicht weniger als das Ende der Welt. Davon einmal abgesehen scheinen Reihenurgestein Bryan Singer jedoch die Ambitionen auszugehen, der nunmehr sechste große Film ist bombastischer, etwas liebloser Status Quo.
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