(„X-Men: Days of Future Past“ directed by Bryan Singer, 2014)
Für die Mutanten hat die letzte Stunde geschlagen, weltweit werden sie von riesigen Killerrobotern mit unheimlichen Kräften systematisch verfolgt und getötet. In ihrer großen Not schließen sich die ehemaligen Kontrahenten Magneto (Ian McKellen) und Charles Xavier (Patrick Stewart) zusammen, um mit Hilfe von Kitty Pryde (Ellen Page) Wolverines (Hugh Jackman) Bewusstsein in die Vergangenheit zu schicken. Dort soll dieser die jungen Ausgaben von Magneto (Michael Fassbender) und Charles Xavier (James McAvoy) finden und sie dazu überreden, Mystique (Jennifer Lawrence) aufzuhalten. Denn die plant Dr. Bolivar Trask (Peter Dinklage) zu ermorden, den Erfinder jener Roboter – wodurch die Verfolgung der Mutanten jedoch erst losging.
Man kann einen Kuchen nicht essen und gleichzeitig behalten? Das sah man bei 20th Century Fox wohl ein wenig anders und versuchte sich bei X-Men: Zukunft ist Vergangenheit daran, sowohl eine Fortsetzung zu Der letzte Widerstand wie auch zu dessen Prequel Erste Entscheidung zu drehen – auf einmal. Warum man diesen Spagat wagte, darüber kann letztendlich nur spekuliert werden. Vielleicht lag es daran, dass Erste Entscheidung rund 100 Millionen Dollar weniger einspielte als seinerzeit Der letzte Widerstand und man versuchte, durch die alten Helden auch die alten Zuschauer zurückzuholen. Und wer eignete sich besser dafür als Wolverine, dessen letzter Soloauftritt in Weg des Kriegers sich ebenfalls an den Kinokassen besser schlug als das Prequel?
Finanziell lohnte sich das Manöver auf jeden Fall, mit einem Einspielergebnis von 750 Millionen Dollar weltweit ließ man alle vorherigen Teile der Marvel-Reihe meilenweit hinter sich. Inhaltlich hätte es die Zweiteilung eher nicht gebraucht. Sicher ist es schön, die liebgewonnenen Recken erneut zu sehen. Aber mal abgesehen davon, dass dies zu diversen Widersprüchlichkeiten mit früheren Filmen führte und die Rahmenhandlung an den Haaren herbeigezogen ist, durften die Figuren der Gegenwart nicht wirklich viel tun. Eigentlich besteht ihr einziger Sinn und Zweck darin, die bösen Roboter fernzuhalten, während die eigentliche Handlung 1973 stattfindet.
Die ist dafür durchaus spannend. Beim Thema hielt man sich an das Altbewährte, erneut steht hier der ewige Kampf zwischen Mensch und Mutant im Mittelpunkt, erneut sind die Rollen dabei klar definiert: Xavier, Beast und Wolverine stehen auf der Seite der Menschen, Magneto und Mystique bevorzugen eine zur Not gewaltsame Herrschaft der Mutanten. Daran ändert auch der ohnehin forcierte Zeitreiseaspekt nichts. Dafür konzentrierte man sich bei Zukunft ist Vergangenheit auf einige wenige Figuren und arbeitete deren Konflikte – mit sich selbst und untereinander – noch einmal etwas stärker heraus. Vor allem der von Selbstzweifeln geplagte Xavier und Mystique, die den Tod vieler Mitmutanten nicht verkraftet hat, werden beim fünften großen X-Men-Abenteuer zu tragischen Figuren.
Dafür wurden andere Figuren vernachlässigt, gerade die der Gegenwart bleiben farblos, zudem müssen wir auf sie spaßigen Kämpfe innerhalb der Mutantenreihen verzichten. Befremdlich ist dabei, dass ein Großteil der gerade erst in Erste Entscheidung frisch eingeführten Mutanten schon wieder wortlos in der Schublade verschwunden ist. Ebenso, dass für den Handlungsstrang der Gegenwart mit Blink, Sunspot und Bishop noch drei Figuren reingequetscht wurden, für die es anschließend keine Verwendung mehr geben sollte, da nur noch die Prequelreihe fortgesetzt wird. Immerhin werden durch die Neuzugänge diverse beeindruckende Spezialfähigkeiten zur Schau getragen, gerade im Gegensatz zu der in der Hinsicht eher sparsamen Vergangenheit, wo mehr geredet denn gekämpft wird. Den größten Eindruck hinterlässt jedoch ausgerechnet ein Neuling, der überhaupt nicht kämpft: Evan Peters darf als Quicksilver in einer nur kurzen, dafür umwerfend komischen Szene Zukunft ist Vergangenheit für einen der absoluten Höhepunkte sorgen und die tendenziell eher humorlose X-Men-Reihe deutlich aufwerten.
Die anderen Höhepunkte sind dieses Mal auch optisch bedingt: War Erste Entscheidung in der Hinsicht etwas zwiespältig, überzeugen die Spezialeffekte dieses Mal durch die Bank weg. Und auch bei der Ausstattung hat man enorm zugelegt, das 70er-Jahre-Umfeld ist sehr viel stimmiger und konsequenter eingebaut als es die 60er im eher nachlässigen Vorgänger waren. Auch das trägt dazu bei, dass der Film insgesamt etwas runder und zu einem würdigen Nachfolger wurde, der zum Schluss auch noch diverse nette Cameos für Langzeitfans mit sich bringt.
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