Afro Samurai
© 2006 TAKASHI OKAZAKI, GONZO

Afro Samurai – The Complete Murder Sessions

(„Afro Samurai“ directed by Fuminori Kizaki, 2007-2009)

Afro Samurai
„Afro Samurai – The Complete Murder Sessions“ erscheint am 3. Juni auf DVD und Blu-ray

Die Regeln sind ebenso einfach wie brutal: Wer das „Nummer eins“-Stirnband besitzt, ist der mächtigste Kämpfer der Welt und kann nur im direkten Kampf seine Position verlieren. Doch um diesen herauszufordern, muss man das „Nummer zwei“-Stirnband erlangen. Beides kennt Afro Samurai, dessen Vater seinerzeit von Justice, der damaligen Nummer zwei getötet wurde. Um sich an dem Mörder rächen zu können, muss Afro deshalb erst einmal selbst zur Nummer zwei werden und ist als solcher auch das Ziel ständiger Angriffe weiterer Kämpfer.

Was ist eigentlich ein Anime? Darüber wird schon seit Ewigkeiten gestritten, zu groß ist die inhaltliche wie visuelle Bandbreite der Werke aus Fernost. Zumindest eines eint diese aber: Sie sind auf Japanisch. Meistens. Afro Samurai ist neben Vampire Hunter D: Bloodlust wohl das bekannteste Beispiel dafür, dass ein Anime komplett im Land der aufgehenden Sonne entstehen kann, von einem japanischen Regisseur inszeniert, von einem japanischen Studio animiert, und dennoch Englisch als Originalsprache hat. Ein Grund dafür ist, dass Samuel L. Jackson an der Produktion beteiligt war und auch die Rolle des Afros übernahm. Aber schon in der Mangavorlage von Takashi Okazaki waren die Grenzen zwischen West und Ost aufgeweicht.

Okazaki, seit seiner Jugend großer Fan schwarzer Musik, wählte für seinen entgegen der üblichen Mangarichtung von links nach rechts gelesenen Comic einen farbigen Samuraikämpfer mit einer riesigen Afrofrisur, der kein Windstoß etwas Bewegung entlockt. Und das setzt sich in der Animefassung auch fort, begleitet von fetten Hip-Hop-Klängen des Genrestars RZA schnetzelt sich der Kämpfer durch seine Widersacher, als könne das eine nicht ohne das andere leben. Die Kombination traditioneller Kampfeskunst mit neumodischen Klängen, dazu noch technische Hilfsmittel wie Handys oder Nachtsichtgeräte, die hier zum Einsatz kommen – stärker noch als das ähnlich angelegte Samurai Champloo ist bei Afro Samurai Stilbruch ein fester Bestandteil des Konzepts.

Das ist nicht nur ungewöhnlich, sondern entfaltet immer wieder hypnotische, manchmal sogar mitreißende Qualitäten. Das Animationsstudio Gonzo (Bayonetta: Bloody Fate, Blue Submarine No. 6), sonst eher für unschöne CGI-Stilbrüche bekannt, darf hier aus den Vollen schöpfen: Rund eine Million Dollar sollen für jede der fünf Originalfolgen der TV-Serie zur Verfügung gestanden haben. Und eben dieses Geld wurde hier sehr gut angelegt. Nicht nur, dass die Animationen (oft zumindest) auf einem hohen Niveau sind, durch eine geschickte Farbgebung wird Afro Samurai zu einem audiovisuellen Kunstwerk: Fast alles hier ist in sparsamen, dunklen Farben gehalten, ein Trübsal aus Grau und Schwarz, welches nur durch Rottöne unterbrochen wird. Das dafür sehr oft, beim Anime werden keine Gefangenen gemacht, ständig wird jemand getötet oder um das eine oder andere Körperteil erleichtert, was riesige, groteske Blutfontänen zur Folge hat.

Der Coolnessfaktor ist also hoch, sonderlich viel Inhalt hat der Anime jedoch nicht. Sowohl in der Originalserie, welche in Deutschland 2008 auf dem Fantasy Filmfest debütierte, wie auch der zwei Jahre später erschienene TV-Film Afro Samurai: Resurrection, welche zusammen die Murder Sessions bilden, begnügen sich mit einer hauchdünnen Geschichte. Während in Afro Samurai die Rache an Justice (gesprochen von Ron Perlman) im Mittelpunkt steht, ist es in Resurrection die grausame Sio (Lucy Liu), die Afro ans Leder will – ebenfalls aus Rache. Rache ist dann auch das zentrale Thema, sofern man denn ein solches braucht, die Rechtmäßigkeit von Rache, die Auswirkungen und ein damit einhergehender Teufelskreis. Viel ist das nicht, eigentlich auch nur ein Vorwand für eine Flut an Kämpfen. Und so toll diese auch aussehen, auf Dauer hätte das mehr Abwechslung vertragen können. Das zeigt sich besonders bei dem insgesamt farbenfroheren Resurrection, welches nicht einmal versucht, eine neue Geschichte zu erzählen. Dafür gibt es da erneut einiges zu sehen, darunter ein großartiges Straßenfest, das alleine den rund 100 Minuten dauernden Anime rechtfertig. Natürlich ist das Style over Substance. Aber wenn der Style so kunstvoll ist wie hier, dann nimmt man das doch ganz gerne in Kauf.



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Wenn bei „Afro Samurai“ traditionelle Kampfkunst auf fette Hip-Hop-Beats und ein stark kontrastreiches (Nicht-)Farbenspiel treffen, dann ist das ein audiovisuell einzigartiges, teils sogar mitreißendes Kunstwerk. Zu erzählen hat der Anime jedoch wenig, die Aneinanderreihung von blutigen Kämpfen hätte mehr Geschichte vertragen können.
6
von 10