(„The Dark Horse“ directed by James Napier Robertson, 2014)
Einst war Genesis Potini (Cliff Curtis) ein gefeierter Schachprofi. Heute ist davon jedoch nur noch wenig zu sehen, seine andauernden psychischen Probleme, die er mit Behandlungen und Medikamenten zu bekämpfen versuchte, haben deutliche Spuren hinterlassen. Erste Zeichen der Besserung gibt es zwar, als er bei seinem Bruder Ariki (Wayne Kapi) unterkommt, doch auch dann fehlt ihm etwas, das ihm Halt gibt. Eben diesen scheint er zu finden, als er auf die Idee kommt, Kindern aus ärmlichen Verhältnissen das Schachspiel beizubringen. Doch die Skepsis ist groß, sowohl von Seiten der Kinder wie auch deren Familien, schließlich fällt der ambitionierte Lehrer immer wieder durch sein exzentrisches Verhalten auf. Und auch Ariki ist nicht begeistert: Potinis Wunsch, dessen Sohn Mana (James Rolleston) aufzunehmen und für ein Schachturnier zu trainieren, findet nur wenig Gegenliebe.
Ein heruntergekommener Ex-Profi, der sein Wissen an den Nachwuchs weitergibt und sich so selbst wiederfindet. Eine Gruppe aufgegebener Jugendlicher ohne richtige Perspektive, die durch ein gemeinsames Projekt über sich hinauswächst und es der Welt zeigt. Ja, das sind Klischees, mehrere sogar. Diese miteinander kombinieren zu wollen, das kann den Zyniker in einem wecken und die schlimmsten Kitschangriffe befürchten lassen. Oder auch den Schwärmer mit Hang zu einem großen Taschentuchverbrauch. Doch weder der eine, noch der andere werden sich in Das Talent des Genesis Potini so richtig wiederfinden, das die bekannten Elemente zwar verwendet, dann aber doch ein wenig anders ist.
Zunächst ist Schach nicht unbedingt die häufigste in einem Film verwendete Beschäftigungsform, einen hiermit von der Straße holen zu wollen ist zumindest eine nette Abwechslung von den üblichen Sport- und Freizeitaktivitäten, die in einem derartigen Szenario sonst verwendet werden. Ebenfalls etwas ungewöhnlich ist, wie sehr das Geschehen und die Figuren in der Kultur der Maori verwurzelt ist: Da werden alte Legenden erzählt, das Schachspiel mit einem Krieg verglichen. Vor allem aber Potini ist es, der so gar nichts mit den üblichen Leinwandhelden gemein hat. Basierend auf dem wahren Schachmeister wird in Gestalt von Cliff Curtis ein massiger und unbeholfener Mann, der recht simpel gestrickt ist und ständig mit seinem nicht immer ganz funktionierenden Geist hadert. Wenn der zu Selbstgesprächen neigende Mentor sich mal wieder nicht im Griff hat und in seine Depressionen zu fallen droht, dann ist das im Zusammenspiel mit den schäbigen, ärmlichen Kulissen meilenweit von den Wohlfühldramen aus Hollywood entfernt, mit denen Das Talent des Genesis Potini die grundsätzliche Dramaturgie teilt.
Über Letztere muss man dann auch hinwegsehen können, um mit dem Film etwas anzufangen. So manches Klischee wird bei allem Sinn für ungeschönten Realismus dann doch bedient, von einer gewissen Rührseligkeit ist auch die neuseeländische Produktion nicht gefeit. Schade ist zudem, wie sehr die Kinder, um die sich Potinis Aktivitäten drehen, letzten Endes nur Beiwerk sind. Von Mana einmal abgesehen erhält hier niemand wirkliches Profil, der Weg zum Schachass wird zudem ein bisschen sehr schnell erzählt – der Alltag im Schachclub ist angesichts einer Laufzeit von knapp zwei Stunden doch recht kurz gehalten. Dennoch ist Das Talent des Genesis Potini auch aufgrund der beeindruckenden Darstellung von Curtis wegen ein bewegender Film, der einem fernab von Hochglanzkulissen Mut macht. Der nicht davor zurückschreckt, das Leben in all seiner Hässlichkeit zu zeigen und dennoch den Glauben und die Hoffnung auf ein besseres und würdiges Schicksal pflegt.
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