(„Meitantei Konan: Tokei Jikake no Matenrō“ directed by Kenji Kodama, 1997)
Allzu beliebt ist der Amateurdetektiv Shinichi Kuno in der Unterwelt ja nicht, hat er doch vielen von ihnen das Handwerk gelegt. Und das tut er noch immer, wenn auch nicht mehr ganz in der alten Form: Seitdem er von Gangstern gezwungen wurde, ein Gift zu schlucken, steckt er in dem Körper eines kleinen Jungen. Sein Geist ist aber noch der alte, und so kämpft er jetzt als 7-jähriger Conan gegen das Verbrechen. Einen wichtigen Anlass dafür hat er dabei auch schon: Ein Unbekannter hat eine ganze Menge Sprengstoff gestohlen und droht dieses nun auch einzusetzen, wenn niemand rechtzeitig seine Rätsel löst. Dabei hat Conan gerade auch ein privates Rätsel zu lösen: Seine Freundin Ran will mit Shinichi ins Kino gehen, ohne zu wissen, dass dieser gar nicht mehr da ist. Nicht so wirklich zumindest. Und Conan muss nun eine Möglichkeit finden, das zu verhindern, ohne ihre Gefühle zu verletzten oder seine neue Identität zu verraten.
89 Bände ist die 1994 von von Gosho Aoyama ins Leben gerufene Mangareihe „Detektiv Conan“ nun schon stark, hat sich in ihrer Heimat auch bereits über 140 Millionen Mal verkauft. Dass eine Anime-Adaption da nicht fehlen durfte ist klar, allzu lange mussten Fans des etwas anderen Meisterdetektivs auch nicht drauf warten. Während die ab 1996 gestartete und inzwischen über 800 Episoden umfassende TV-Serie bis heute nicht in Deutschland veröffentlicht wurde, sieht es bei den Kinofilmen glücklicherweise deutlich besser aus. Und Stoff bieten die mehr als genug: 1997 ins Leben gerufen, folgte bislang jedes Jahr ein neuer Streifen, der 20. davon ist unlängst in den japanischen Kinos angelaufen.
Der erste Film Der tickende Wolkenkratzer ist dabei, anders als man vielleicht denken könnte, weder Origin Story noch Neu-Adaption, sondern erzählt eine eigene in sich abgeschlossene Geschichte. Wer weder Manga noch Serie kennt, wird hier deshalb erst einmal ein wenig verwundert sein, warum ein Kind an einem Tatort herumläuft und in seine rote Fliege spricht. Eine Kurzzusammenfassung, weshalb Shinichi zu Conan wurde, wird zwar nachgeliefert, geht dabei aber nicht sonderlich ins Detail, auch über die Figuren erfährt man nicht wirklich viel. Wirklich notwendig ist das aber auch nicht, dafür ist die Prämisse ohnehin zu absurd, der Inhalt auch zu nebensächlich, zumindest für reine Krimifreunde.
Natürlich darf in Der tickende Wolkenkratzer gerätselt werden, wer denn nun hinter den Anschlägen steckt, das ist aber aus zwei Gründen eher unbefriedigend. Zum einen gibt es in dem Film viel zu wenig Figuren, als dass man hier lange im Dunkeln tappen könnte. Ein klassischer Whodunnit lebt normalerweise davon, Zuschauer bzw. Leser mehrere Verdächtige zu liefern, aus denen er den richtigen erraten muss. Das fällt hier weg. Und auch die Frage des Motivs wird hier sehr vernachlässigt, ergibt nicht so wirklich viel Sinn. Für einen Film, der immer anderthalb Stunden lang ist, ist das schon recht wenig Stoff, Hobbyspürnasen mit einer Vorliebe für Animationen sind da bei Felidae oder Agatha Christie’s Great Detectives Poirot and Marple, einer Animeserie nach Agatha Christie, deutlich besser aufgehoben. Dass die Ermittlungen an manchen Stellen ein bisschen schnell zu Lösungen führen, Conan andererseits am Ende frustrierend begriffsstutzig ist, das ist als Krimifan ebenso wenig beglückend wie die gelegentlichen Rätsel, die zu sehr auf japanischen Wortspielen basieren, als dass sie wirklich in der Übersetzung funktionieren würden.
Dafür sind es zwei andere Punkte, welche Der tickende Wolkenkratzer auszeichnen. Zum einen ist der Film überraschend temporeich und mitunter gar spannend, wenn Conan nur wenig Zeit bleibt, um die einzelnen Anschläge zu verhindern. Und dann wäre da natürlich noch der Humor, der sich in kuriosen Figuren wie Kogoro Mori, der herrlich unfähige Privatdetektiv und zugleich Vater von Ran, und einigen bescheuerten Technikgadgets äußert. Und auch die Optik aus dem Hause Tokyo Movie Shinsha (Das Schloss von Cagliostro, Akira) gefällt, protzt zwar weniger mit großen Effekten, ist aber in sich stimmig und auch von den Animationen her auf einem in dem Umfeld mehr als akzeptablen Stand. Wer also nicht zu große Ansprüche an den Krimiteil hegt, sondern lieber eine leichtere, comichafte Variante sucht, der ist bei dem ersten großen Auftritt des kleinen Meisterdetektivs an der richtigen Adresse.
(Anzeige)