(„Glassland“ directed by Gerard Barrett, 2014)
So richtig viel Grund zur Freude gibt es im Leben von John (Jack Reynor) ja derzeit nicht. Tagein tagaus schuftet er als Taxifahrer, nimmt einen Auftrag nach dem anderen an. Geld hat er aber dennoch keins, schließlich muss er sich zeitgleich um seine arbeitsunfähige und alkoholkranke Mutter Jean (Toni Colette) kümmern. Von dem bisschen, das ihnen bleibt, können sie sich nicht mehr als eine kleine Sozialwohnung leisten, von der dringend notwendigen medizinischen Behandlung ganz zu schweigen. Abschalten kann John eigentlich nur, wenn er mit seinem Kumpel Shane (Will Poulter) rumhängt. Aber auch der hat sein Päckchen im Leben zu tragen.
Jack Reynor? Den dürften die meisten Zuschauer maximal durch seinen Auftritt in Transformers: Age of Extinction kennen. Dabei verfügt der junge Ire über ein durchaus hervorzuhebendes schauspielerisches Talent, wenn man ihn denn lässt. Gleich dreimal in relativ kurzer Zeit durfte er das auf der großen Leinwand demonstrieren: In der Prinzessinnen-Tragikomödie A Royal Night Out, der Shakespeare-Adaption Macbeth und zuletzt dem Musikfilm Sing Street. Aber auch da reichte es jeweils nur für kleinere Nebenrollen. Dass er durchaus mehr verdient hat, das zeigt ausgerechnet ein Werk, für welches der heute 24-Jährige beim Sundance Festival ausgezeichnet wurde, das jedoch kein deutsches Kino beehrte. Immerhin, rund zwei Jahre nach der Premiere und mehr als ein Jahr nach dem heimischen Start liegt das Drama nun als deutsche DVD vor. Und das ist eine schöne Nachricht.
Wobei schön vielleicht kein Adjektiv ist, welches man unbedingt bei der irischen Produktion verwenden würde. Denn eigentlich ist hier gar nichts schön. Verlierer in Filmen, das ist kein seltenes Thema. Eigentlich werden diese sogar immer zahlreicher, der zunehmenden Schere zwischen arm und reich sei Dank, schließlich hat es die Globalisierung nicht mit jedem gut gemeint. Das trübe Schicksal von John und Jean ist dabei aber nicht auf große, internationale Mechanismen zurückzuführen. Vielmehr zeigt Regisseur und Drehbuchautor Gerard Barrett, dass es manchmal gar nicht so viel braucht, um in der Gesellschaft nach unten durchgereicht zu werden. Der Weg in die Verliererstraße beginnt mit kleinen Schritten, manchmal auch einfach nur Pech.
Lange lässt einen Barrett dabei aber zappeln, wie es denn nun dazu gekommen ist. Und auch Johns Taxifahrten, die von Anfang an ein bisschen zwielichtig wirken, werden erst relativ spät näher thematisiert. Das ist jedoch kein wirkliches Problem, eigentlich ist letzterer Handlungsstrang sogar eher ein Schwachpunkt, da er so gar nicht zu der Alltäglichkeit der Geschichte passt. Denn wie sehr die Kämpfe der Familie zum Alltag geworden sind, das zeigt eine Szene, in der John seine Mutter ins Krankenhaus bringen will. Und das mit einer Selbstverständlichkeit und Ruhe, die auch ohne Erklärung keinen Zweifel daran lässt, wie es bei ihnen zu Hause zugeht.
Allgemein ist Glassland kein Film der großen Worte. Vielmehr zieht er seine Kraft gerade aus der Ruhe, sowohl was die Zahl der Dialoge angeht wie auch die Kameraeinstellungen. Umso härter trifft es einen dann, wenn das Unglück doch noch hervorbricht, die lange schwelenden Konflikte ans Tageslicht kommen, Jean in einem ihrer seltenen klaren Momente Einblicke in ein Leben gibt, das sich in erster Linie selbst aufgegeben hat. Das ist von Toni Collette nicht minder beeindruckend gespielt: Ihre Jean ist sowohl in den vielen lethargischen wie auch in den mit viel Mut zur Hässlichkeit gespielten Ausbrüchen eine fesselnde, manchmal furchterregende Erscheinung.
Doch der Dreh- und Angelpunkt bleibt John, durch dessen Perspektive alles erzählt wird, in dessen Augen sich die verlorene Würde seiner Mutter spiegelt. Und dessen Herz sich so sehr danach sehnt, wieder einen Weg zur Normalität zurückzufinden. Aber was bedeutet schon normal, wenn jede Begegnung mit der Mutter die letzte gewesen sein könnte? Jeder Feierabend damit beginnen könnte, sie in ihrem eigenen Erbrochenen zu finden? Nein, schön passt wirklich nicht, eher erschütternd. Hässlich. Traurig. Und eben auch sehenswert, denn der kleineren inhaltlichen Entgleisungen zum Trotz, das Drama über vom Leben verletzte Menschen geht auch an den Zuschauern nicht spurlos vorbei.
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