(„Lou Andreas-Salomé“ directed by Cordula Kablitz-Post, 2016)
Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kommen, hat sich die 72-jährige Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé (Nicole Heesters) längst weitestgehend aus der Öffentlichkeit und ihrem Berufsfeld zurückgezogen. Aus gesundheitlichen Gründen, aus mangelndem Interesse, aber auch auf Drängen von Mariechen (Katharina Schüttler), die sich um die alte Dame kümmert. Als eines Tages der junge Germanist Ernst Pfeiffer (Matthias Lier) vor der Tür steht und sie um Hilfe bittet, erhält dieser auch erst einmal eine Abfuhr. Dann lässt sich Andreas-Salomé aber doch erweichen und willigt sogar ein, ihm von früher zu erzählen, aus ihrer Zeit als Jugendliche (Liv Lisa Fries) wie auch als Erwachsener (Katharina Lorenz). Und auch von den vielen berühmten Männern, die sie damals kennen gelernt hat.
Lou wer? Wer sich nicht gerade in der Geschichte der Psychoanalyse auskennt, dem dürfte die Vorreiterin eher weniger etwas sagen. Geradezu bezeichnend ist, wie auch der Film sie immer wieder in Relation zu großen Männern setzt. Zu Sigmund Freud. Zu Friedrich Nietzsche (Alexander Scheer). Zu Rainer Maria Rilke (Julius Feldmeier). Zu Paul Rée (Philipp Hauß). Und als ob sie damit die große Differenz im Bekanntheitsgrad nachträglich noch korrigieren wollte, tut Regisseurin und Ko-Autorin Cordula Kablitz-Post viel dafür, die großen Männer der Geistesgeschichte von ihren jeweiligen Sockeln zu stoßen. Ob es nun der etwas herablassende Nietzsche ist oder der rückgratlose Träumer Rilke, eigentlich kann man niemanden hier so richtig ernst nehmen.
Dabei hätte das alles gar nicht so dick aufgetragen werden müssen, denn die Geschichte der bedeutenden Denkerin ist auch so spannend genug. Frauen, die auch ohne Männer ihr Glück finden, die Männer zur eigenen Bespaßung nutzen, ohne sich an diese zu binden, das ist selbst heute nicht selbstverständlich. Umso beeindruckender ist es, wie Andreas-Salomé sich dieses Recht noch im 19. Jahrhundert herausnahm, sämtliche Widerstände und Gepflogenheiten missachtend, gegen den Willen ihrer bürgerlichen Mutter und ohne dass ihr hierbei irgendwelche Vorkämpferinnen als Vorbild gedient haben. So stark baut Kablitz-Post auf diesen Kontrast zwischen der Protagonistin und den schwachen Männern, dass es einem als Zuschauer schwer fällt zu entscheiden, welche der beiden Seiten nun die unsympathischere ist – die rücksichtslose und tendenziell selbstsüchtige Andreas-Salomé oder die ihr verfallenen Witzfiguren.
Das größere Problem ist jedoch, dass Lou Andreas-Salomé über die Idee der weiblichen Freiheitsbewegung hinaus nur relativ wenig Interessantes zu erzählen hat, insgesamt auch kaum mitreißend ist. Die durch Rückblenden umgesetzte Geschichte hakt pflichtbewusst einzelne Stationen seiner Protagonistin ab, ohne dabei jedoch allzu viel Inspiration zu zeigen. Sehr schön ist der Einfall, die Denkerin immer wieder in historische Aufnahmen und Postkarten zu implementieren und sie als einzige Bewegung drin zu haben. Der Rest des Biopics gefällt zwar durch eine gute Ausstattung und ein Ensemble, das in anderen Filmen die eigene Klasse oft genug bewiesen hat. Doch beides reicht nicht aus, um das Gezeigte auch mit Leben zu füllen. Gerade bei den Dialogen hapert es immer wieder, der Film wirkt oft eher wie ein Theaterstück, Inhalt, Ausdruck und Übergänge sind zu gekünstelt – nur selten hat man den Eindruck, hier auch tatsächlichen Menschen zuzusehen bzw. zuzuhören. Schade um die historisch spannende Vorlage, die in einem sicher brauchbaren Porträt mündet, letztendlich aber nur enttäuschend genutzt wird.
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