(„Zvizdan“ directed by Dalibor Matanic, 2015)
Im Jahr 1991 hat der Konflikt zwischen Kroaten und Serben ein bedrohliches Ausmaß angenommen: Die beiden Gruppen stehen sich so feindlich gegenüber, dass auch das Liebespaar Elena (Tihana Lazović) und Ivan (Goran Marković) von beiden Seiten gedrängt wird, seine Beziehung aufzugeben. 2001 sind die meisten Krisen überwältigt und die Menschen gehen langsam zur Tagesordnung über. Zu dieser Zeit kehrt auch Nataša (Lazović) in ihr altes zerbombtes Haus zurück und wird bei dem Wiederaufbau vom kroatischen Handwerker Ante (Marković) unterstützt. Wenn auch nur widerwillig, waren es doch die Kroaten, die ihren Bruder und Vater getötet haben. 2011 ist der Krieg längst zurückgedrängt worden, Konflikte gibt es aber auch in Friedenszeiten noch. So auch bei Luka (Marković) und Marija (Lazović), schließlich hat Ersterer einst Marija und den gemeinsamen Sohn verlassen, weil seine Eltern ihn dazu gedrängt haben.
„Der ungewollte Krieg“ wurde der Balkankrieg kürzlich genannt, einer von einer ganzen Reihe von gewalttätigen Auseinandersetzungen, die in den 90ern den Vielvölkerstaat Jugoslawien auseinanderrissen. Nun sind Kriege selten wirklich gewollt, zumindest nicht von der Bevölkerung. Wie sehr das hier zutrifft, daran lässt Regisseur und Drehbuchautor Dalibor Matanic keinen Zweifel. Mit einer unmöglichen Liebe beginnt der neueste Film des Kroaten, einer Liebe zwischen zwei Gruppen. Da lässt Shakespeares „Romeo und Julia“ natürlich schön grüßen, nur dass die Figuren hier sehr viel weniger geschliffen reden. Sofern sie überhaupt reden und sich nicht einfach irgendwelche Beleidigungen an den Kopf werfen oder mit bloßen Blicken ihren Unmut mitteilen. Es ist auch keine überlebensgroße Liebe, eine zum Schmachten und Seufzen. Dafür ist alles viel zu schnell vorbei, von der Geschichte vergessen.
Würde Mittagssonne nach dieser ersten Episode aufhören, es gäbe nicht so wirklich viele Gründe, sich an den Film zu erinnern. Es gibt einige schöne Landschaftsaufnahmen, sicher, engagierte Darsteller. Aber zu wenig Stoff, um die Idee bis zur Reife durchzubringen. Keine Einleitung, nur wenig Figurentiefe, keinen Kontext. Man erfährt nicht mal, um welche Gruppen es sich hier handelt und warum sie sich so feindlich gegenüberstellen. Und doch ist der Einstieg wichtig oder wird es zumindest, sobald die beiden darauffolgenden kommen.
Der Clou dabei: Alle drei Episoden spielen in dem selben Dorf, handeln von einer unmöglichen Liebe zwischen Kroaten und Serben und werden dabei auch noch von denselben Schauspielern gespielt. Ein bisschen wie Cloud Atlas, nur weniger grotesk. Aber nicht minder verwirrend. Wer im Vorfeld nichts von Matanics kuriosen Wiederholungen weiß, wird sich erst einmal wundern, warum das Liebespaar erneut vor die Kamera tritt, aber in einer anderen Situation, sie sich hier noch gar nicht kennen. Ist das vielleicht die Vorgeschichte? Aber wie kann das sein, wenn der Mittelteil zeitlich später spielt? Und auch bei der letzten Episode sind es wieder Lazovic und Markovic, die gemeinsam vor der Kamera stehen, ein ehemaliges Liebespaar spielen, das an den Konflikten zerbrochen ist.
Diese eigenwillige Umsetzung mag man als unnötiges Gimmick empfinden, welches von der recht schlichten Geschichte ablenken soll. Aber selbst wenn man diese Auffassung teilt, kommt man kaum umher, deren Effektivität anzuerkennen. In Mittagssonne ist alles miteinander verbunden, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, viele Elemente und Orte wiederholen sich, gezeigt wird eben kein spektakuläres Einzelschicksal, sondern was es bedeutet, wenn plötzlich Nachbarn sich gegenseitig bis aufs Blut bekämpfen. Eine Liebe auf dem Höhepunkt, eine, die erst noch entsteht, eine, die schon vorbei ist – von drei Seiten beleuchtet Matanic die Auswirkungen der Konflikte und die Tiefe der zwischenmenschlichen Gräben. Und gerade weil es eben dasselbe Schauspielerduo ist, welches bis zum Schluss die (Möchtegern-)Liebenden verkörpert, ist es umso schockierender zu sehen, wie wenig sich geändert hat. Wie stark die gegenseitig zugefügten Wunden seinerzeit waren, dass sie selbst zwanzig Jahre nicht völlig verheilt sind. Und doch ist die europäische Koproduktion nicht völlig frei von Hoffnung. Immer wieder gibt es Annäherungen, wenn auch mit Schmerzen verbundene, die zusammen mit besagten schönen Aufnahmen und guten Darstellern Mittagssonne zu einem sehr sehenswerten Drama machen, das berührende Nähe und losgelöste Universalität in sich vereint.
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