(„One & Two“ directed by Andrew Droz Palermo, 2015)
Es ist ein einfaches, bescheidenes Leben, welches die Geschwister Eva (Kiernan Shipka) und Zac (Timothée Chalamet) mit ihren Eltern Elizabeth (Elizabeth Reaser) und Dan (Grant Bowler) da führen. Umgeben von riesigen Wäldern und einem hohen Holzzaun, den der Vater zum Schutz errichtet hat, gibt es nur wenig Berührungspunkte mit der Welt da draußen. Zu wenig, nach Ansicht der Kinder. Immer wieder versuchen sie deshalb, sich unbemerkt vom strengen Vater rauszuschleichen und können dabei auf eine ihnen eigene Teleportationsfähigkeit bauen. Dem Vater sind diese fremden Kräfte ein Dorn im Auge, regelmäßig kommt es daher zu Konflikten zwischen ihm und dem Nachwuchs. Als ihre Mutter zunehmend an seltsamen Anfällen leidet, spitzt sich die prekäre Familienlage noch weiter zu.
One & Two gehörte sicherlich zu den enttäuschendsten Filmen des Fantasy Filmfests 2015. Nicht, weil er so fürchterlich schlecht gewesen wäre, da gab es mit Frankenstein, Sweet Home oder ABCs of Superheroes eine ganze Reihe von Werken, die ihn deutlich unterboten haben. Anders als diese hatte das seltsame kleine Fantasy-Thriller-Drama aber ein vielversprechendes Szenario und eine eigentlich schön gelungene Atmosphäre. Es machte nur zu wenig da raus.
In der letzten Zeit versuchten Superheldenfilme ja häufig mehr zu sein als sie sind. Da werden tragische Hintergrundgeschichten ersonnen, eine mit düsterem Tiefgang verwechselte schlechte Laune reingequetscht oder wenn gar nichts mehr geht ein moralisches Dilemma, nur um davon abzulenken, dass es am Ende ohnehin nur darum gehen soll, schicke Kulissen möglichst spektakulär zum Einsturz zu bringen. Bei One & Two ist das anders. Nicht nur dass hier nichts einstürzt, das Drama unterstützt nicht die Geschichte. Es ist die Geschichte. Oder zumindest das, was Regisseur und Ko-Autor Andrew Droz Palermo unter einer Geschichte versteht.
Eigentlich passiert da nämlich recht wenig in dem Independent-Film. Gestritten wird natürlich, oft sogar, teilweise auch sehr heftig. Und es gibt den tragischen Nebenschauplatz der kranken Mutter. Ansonsten aber verlässt sich der Amerikaner mehr auf seine dunkle, von Melancholie und Freiheitsdrang geprägte Stimmung. Unterstützt wird diese durch die wunderbaren Aufnahmen der abgelegenen Waldgegend, dass Palermo eigentlich aus der Kameraecke kommt, das stellt er hier eindrucksvoll unter Beweis. Nur dass man als Zuschauer vergeblich darauf wartet, dass hinter diesen unheilvollen Bildern auch einmal etwas hervorkommt, der Ahnung von familiären Abgründen auch Tatsachen an die Seite gestellt werden.
Dass hier eine Coming-of-Age-Geschichte erzählt wird, davon, was es heißt, sich gegen die Eltern zu behaupten, eine eigene Stimme zu finden, das wird schnell klar. Ebenso dass die Superkräfte auch als reines Sinnbild funktionieren, irgendwie anders zu sein. Aber das macht One & Two eben auch zu einer irgendwo frustrierenden Angelegenheit. Einem Kontext verweigert sich der Film konsequent. Wo andere Genrebeiträge sich mit halbherzigen bis lächerlichen Antworten zu Tode erklären, fängt dieser hier nicht einmal an. Da gibt es keine Auflösung der seltsamen Kräfte, keine überraschenden Wendungen, auch keine Entwicklung im eigentlichen Sinn – sieht man einmal von der sich steigernden Feindseligkeit des Vaters ab. Mit einer stärkeren Emotionalisierung geht dies jedoch nicht einher, dafür bleiben einem die Geschwister zu fremd, werden nie zu echten Protagonisten. Ist die erste halbe Stunde also vorbei, hat der Zuschauer bereits alles erfahren, was es zu erfahren gibt, muss dennoch aber noch eine weitere Stunde ausharren. Ähnlich zu den Festivalkollegen Evolution oder auch Under the Skin begnügt sich der Film mit einer interessanten rätselhaften Anfangssituation bzw. fesselnden Bildern, die auf eine gesamte Spielfilmlänge ausgestreckt dann aber doch an Wirkung verlieren, weshalb die Faszination nach und nach der gepflegten Langeweile Platz macht. Schade.
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