(„Orange is the New Black – Season 3“, 2015)
Business as usual im Frauengefängnis Litchfield. Nachdem Knastchefin Figueroa gehen musste und die intrigante Insassin Vee Geschichte ist, hätte eigentlich Ruhe einkehren sollen. Aber denkste. Neuankömmling Stella Carlin (Ruby Rose) funkt der Beziehung von Piper Chapman (Taylor Schilling) und Alex Vause (Laura Prepon) dazwischen, Red (Kate Mulgrew) hadert damit, nicht mehr die Küche leiten zu können, Daya (Dascha Polanco) weiß nicht, was sie mit ihrem künftigen Kind anstellen soll, Sophia (Laverne Cox) und Gloria (Selenis Leyva) bekommen sich mächtig in die Haare. Und zu allem Überfluss wird das Gefängnis auch noch privatisiert, was einige ungewollte Änderungen mit sich bringt.
Veränderungen sind dann auch das große Motto der dritten Staffel von Orange is the New Black. Nicht, weil die Serie plötzlich ihr Konzept über den Haufen würfe. Das ist immer noch dasselbe: Noch immer geht es größtenteils um die Geschichten der Insassinnen, die teilweise durch Flashbacks erweitert werden, ihre sich ständig ändernden Beziehungen untereinander, die kleinen und großen Probleme im Knastalltag. Und darum, was es heißt, seine Freiheit aufgeben und sich mit Dutzenden anderen Menschen Esstisch und Toilette teilen zu müssen. Innerhalb dieser fest vorgegeben Bahnen entdecken die Drehbuchautoren jedoch einige neue Wege, die einem teilweise recht bekannt vorkommen, teilweise aber auch sehr überraschend ausfallen.
Die größte Überraschung betrifft Piper selbst. Mit ihr ging in Staffel eins alles los, sie war die Identifikationsfigur im Mikrokosmos Gefängnis, anhand derer die komischen wie tragischen Erlebnisse erzählt wurden. Nun nicht mehr. Wenn Staffel drei eines auszeichnet, dann ist es der Mut, sich von der eigenen Protagonistin zu lösen. Zum einen offenbart sie mit ihrem andauernden Aufenthalt eine hässliche Seite an sich, die zuvor nur angedeutet wurde. Zum anderen nimmt sie deutlich weniger Raum im Gefängnisgefüge ein, ihre Geschichte ist nur noch eine von vielen. Und es ist nicht einmal die interessanteste davon.
Das sich nun entwickelnde Vakuum wurde dafür mit diversen Figuren gefüllt, welche zuvor nur eine Nebenrolle spielten. Manche der Vertiefungen halten nicht lang an, sind nach einer Episode schon wieder vergessen. Andere ziehen sich konsequent durch. So wird die unscheinbare, stumme Küchengehilfin Norma (Annie Golden) auf einmal zu einer wichtigen Stützte des Knastlebens, Taystee (Danielle Brooks) mutiert zur Ersatzmama für die farbigen Gefangenen, Lorna (Yael Stone) blickt endlich wieder nach vorn, die irre Suzanne (Uzo Aduba) entdeckt ihr schriftstellerisches Talent, Pennsatucky (Taryn Manning) ihre gefühlvolle Seite, selbst Knastleiter Joe Caputo (Nick Sandow) darf angesichts der menschenverachtenden Regeln der neuen Besitzer viele Sympathiepunkte sammeln.
Denn auch das unterscheidet die dritte Staffel von den Vorgängern: Es fehlt der eindeutige Antagonist. Gestritten und intrigiert wird kräftig in der von Jenji Kohan kreierten Serie noch immer, aber die Konflikte finden eher im Kleinen statt, involvieren aber nicht mehr das gesamte Ensemble. Ein bisschen ging Orange is the New Black damit auch der dramaturgische Rahmen verloren, die großen Entwicklungen wurden durch persönliche ersetzt. Auch aufgrund der vereinzelt etwas konstruierten Wendepunkte haben die Knastgeschichten zuweilen einen nicht immer glücklichen Soap-Opera-Charakter. Aber dazwischen finden sich immer wieder skurril-komische Einfälle, welche von Anfang an zu der Serie dazugehörten, sowie sehr satirische, welche die Privatisierung betreffen.
Aber auch sehr bewegende, sowohl im Freudigen wie auch im Traurigen – bei Letzterem bleibt vor allem Brook (Kimiko Glenn) in Erinnerung, die wie so viele ihrer Kolleginnen aufgewertet wurde. Und manchmal ist gar nicht so klar, wo das eine anfängt und das andere aufhört. Siehe etwa Lori Petty als zweiter wichtiger Staffelzugang Lolly Whitehill. Doch der schönste aller Momente, vielleicht sogar der schönste der bislang drei Staffeln, der wartet am Ende: Anstatt sich erneut auf einem drastischen Cliffhanger auszuruhen, werden wir hier zum Ende daran erinnert, dass Hautfarbe und Alter sich unterscheiden mögen, die sozialen Hintergründe und die sexuellen Vorlieben. Aber es sind Menschen, die in Litchfield wohnen, von denen jeder irgendwo sein Glück sucht. Und es bei allen Verfehlungen auch verdient.
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