(„Silent Movie“ directed by Mel Brooks, 1976)
Die glorreichen Zeiten von Mel Funn (Mel Brooks) liegen nun schon eine ganze Weile zurück. Anstatt große Filme zu drehen, beschäftigt er sich meistens mit dem Leeren alkoholischer Getränke. Aber damit soll jetzt Schluss sein, eine Idee für sein großes Leinwand-Comeback hat er auch schon: ein Stummfilm! Zusammen mit Dom Bell (Dom DeLuise) and Marty Eggs (Marty Feldman) macht er sich deshalb auf den Weg zu den Big Picture Studios, um sein Herzensprojekt umzusetzen. Die Reaktionen fallen jedoch verhalten aus. Erst als Mel ankündigt, lauter bekannte Darsteller an Bord zu holen, willigt der Studioboss (Sid Caesar) ein, schließlich könnte das tatsächlich eine Menge Gild bringen. Aber die Zeit drängt, denn das New Yorker Konglomerat Engulf & Devour (Harold Gould und Ron Carey) macht sich auf den Weg, um das finanziell angeschlagene Studio zu übernehmen, und schreckt dabei vor keinem fiesen Trick zurück.
Nachdem sich Mel Brooks zuletzt des Westerngenres (Blazing Saddles) und alter Horrorfilme (Frankenstein Junior) angenommen hatte, wandte er sich in seiner dritten großen Parodie den Stummfilmkomödien zu. Auf der einen Seite war das naheliegend, hatte der Regisseur zuvor doch häufiger auf Slapstickeinlagen gesetzt. Und doch war die Entscheidung durchaus mutig, wenn nicht gar wahnsinnig. „Wer will denn heute noch einen Stummfilm sehen?“, heißt es in Silent Movie zunächst, was sowohl innerhalb des Streifens wie auch außerhalb eine berechtigte Frage war – schließlich lag der Höhepunkt der Stummfilm-Ära 1976 schon einige Jahrzehnte zurück. Aber die von Brooks gewohnte Dreistigkeit zahlte sich aus: Zwar blieben die Einspielergebnisse hinter denen der beiden Vorfilme zurück, bei Produktionskosten von 4 Millionen Dollar durfte man sich angesichts von neunmal so hohen Einnahmen aber über einen ausgeprägten Geldregen freuen.
Das mag zum einem am Novelty-Effekt gelegen haben, Mitte der 70er noch einmal einen Stummfilm zu sehen. Oder auch an den vielen Stars, die Brooks um sich versammelt hatte – unter anderem spielen Burt Reynolds, Anne Bancroft und Paul Newman sich selbst. Die Aussage von Mel, dem realen wie dem im Film, dass man nur genügend bekannte Leute mitbringen muss, dass kommt der Erfolg von selbst, man wird ihr kaum widersprechen wollen. Derlei Seitenhiebe auf das Filmgeschäft wie auch das Publikum gibt es zuhauf, Brooks findet hier an manchen Stellen zu seiner satirischen Ader zurück, die er schon bei seinem Debüt The Producers – Frühling für Hitler nutzte, um das Showgeschäft zu karikieren. Einige der Anspielungen sind offensichtlich, andere etwas versteckter.
Aber selbst wer nicht allzu sehr in der Materie drin ist, dürfte die meisten Witze ohne Probleme mit nach Hause nehmen können. Wenn ein skrupelloses, geldgieriges Konglomerat auf den Namen „Engulf & Devour“ hört, muss man nicht wissen, dass zehn Jahre zuvor Gulf and Western Industries das Hollywoodstudio Paramount geschluckt hatte, um darüber lachen zu können. Und geldgierige Produzenten, die einen guten nicht von einem schlechten Film unterscheiden können und denen Dollar-Zeichen ins Gesicht geschrieben stehen, das funktioniert 40 Jahre später noch genauso gut wie damals.
Das meiste an Silent Movie ist dann auch recht zeitlos, von den zwangsweise nicht mehr ganz aktuellen Stars einmal abgesehen, ist der Film nicht so sehr in seine äußeren Umstände eingebettet wie andere Werke von Brooks. Dafür ist der Anspruch recht gering, wie es sich für einen Stummfilm gehört gibt es hier eine Slapsticknummer nach der anderen, von harmlos-absurd bis zu völlig übertrieben. Die meisten stehen zumindest irgendwo im Zusammenhang mit der Geschichte, andere überhaupt nicht. Amüsant sind sie größtenteils aber schon, zumindest so sehr, dass einem das Lächeln hier kaum noch genommen werden kann. Dass einem das Ergebnis so sympathisch ist, liegt aber nicht nur an dem bescheuerten Humor, sondern auch daran, dass der berühmt-berüchtigte Alles-geht-Komiker hier wieder mit sehr viel Sinn fürs Detail unterwegs ist: Wie zuvor auch bei Frankenstein Junior sind die Grenzen zwischen Parodie und Hommage fließend, Silent Movie ist bei aller Verulkung auch eine Liebeserklärung an eine vergangene Zeit und ihre unbekümmerten Späße.
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