(„Fathers And Daughters“ directed by Gabriele Muccino, 2015)
Nach dem tragischen Tod seiner Ehefrau zerbricht für den Schriftsteller Jake Davis (Russell Crowe) eine halbe Welt, die andere Hälfte versucht er mit letzten Kräften für seine Tochter Katie (Kylie Rogers) zusammenzuhalten. Allerdings ist sein letzter Bestseller schon einige Jahre her, und zu allem Überfluss beginnt auch sein Körper, ihm unkontrollierte Streiche zu spielen. Immer wieder erleidet er Krämpfe, die sich über die Zeit hinweg zu lebensbedrohlichen Anfällen entwickeln. Auf Rat des Doktors begibt er sich schließlich in die Obhut erfahrener Spezialisten, während er seine Tochter in die seiner Schwägerin Elizabeth (Diane Kruger) übergibt. Die Monate vergehen und als er seine Therapie endlich beendet, ist viel bekannt, aber wenig beim Alten. Seine Krankheit plagt ihn noch immer, die Arztkosten haben seine gesamten Geldreserven aufgebraucht und jetzt wollen Elizabeth und ihr Mann William (Bruce Greenwood) auch noch das Sorgerecht für die kleine Katie einfordern. Ein Rechtsstreit, dem er finanziell nicht gewachsen ist und seiner Tochter seelisch schwer zu schaffen macht. 25 Jahre später ist Katie (Amanda Seyfried) selber erwachsen und engagiert sich als Sozialarbeiterin für Kinder in Not, während sie im Privatleben unter ihrer Vergangenheit leidet und keine langfristigen Bindungen eingehen kann. Eines Tages lernt sie den ambitionierten Schriftsteller Cameron (Aaron Paul) kennen, der ein großer Fan ihres Vaters ist und ungewohnte Gefühle in ihr weckt. Zwischen Gegenwart und Vergangenheit muss sie lernen, Letztere zu akzeptieren, um ihrer neuen Beziehung eine Chance geben zu können.
Die Beziehung eines Vaters zu seiner Tochter ist so speziell, dass es schon jemand erfahrenen benötigt, der sich der emotionalen Ebene bewusst ist, um sich vom klischeehaften Tränendrüsen-Kino zu entfernen und die Zuschauer in den Bann der Charaktere zu ziehen. Gabriele Muccino nennt sich dieser Familienflüsterer, dessen Portfolio an tiefgreifenden Dramen, wie z.B. Das Streben nach Glück (2006), Sieben Leben (2008) und Kiss the Coach (2012), für sich sprechen dürfte. Für die Cast konnte er Stars wie Russell Crowe (The Nice Guys) und Amanda Seyfried (Alle Jahre wieder) gewinnen, die sich bereits auf dem Filmset von Les Misérables begegneten, sowie Aaron Paul (Triple 9), Diane Kruger (Sky) und viele weitere. Mit einem Mann vom Fach, dem ersten Drehbuch von Brad Desch, welches 2012 in der geleakten Black-List für Furore sorgte, und einer stark besetzten Cast steht die Produktion unter einem guten Stern und einem Hit nichts mehr im Wege.
Immer wieder wechselt die Geschichte zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zeigt einerseits Jakes Bemühungen mit seiner Krankheit und den Geldproblemen umzugehen, während er sich so gut wie möglich um seine Tochter kümmert und andererseits Katies emotionale Konflikte, die sich bei ihrer sozialen Arbeit, als auch in ihrem Privatleben bemerkbar machen. Beide befinden sich an wichtigen Wendepunkten ihres Lebens, welche ihre Höhepunkte in Jakes Sorgerechtsstreit und Katies Beziehung zu Cameron finden. Dabei werden in tragenden Dialogen oftmals keine Schnitte verwendet und die Atmosphäre in ununterbrochenen Kamerafahrten eingefangen. Wodurch sich nicht nur die Nähe der jeweiligen Charaktere verdichtet, sondern dem Zuschauer zudem ein ungefilterter Moment offenbart wird und ein lobenswertes Stilmittel darstellt.
Leider wollen die beiden Teiles des Mosaik nicht recht zusammenpassen und wirken nicht selten konträr, anstatt komplementär. Katie wirft sich von einen One-Night Stand in den nächsten, gibt sich als cool und gelassen den Männern gegenüber, ist hinter der Fassade jedoch verletzt und gebrochen. Das Treffen zwischen ihr und Cameron, gefolgt von der anschließenden Romanze, ist zu konstruiert, um auch nur den Anschein authentischer Gefühle im Beobachter zu wecken und auch wenn die Vater-Tochter Beziehung nett erzählt wird, ist alles doch irgendwie schon einmal da gewesen. Das einst so gefeierte Drehbuch verkommt zum klischeehaften Film, der er nie sein wollte. Die Darbietungen schwanken zwischen klassischem Overacting und gefühlvoller Inszenierung und schaffen dadurch eine wacklige Basis für den restlichen Verlauf des Films. Die Zeitsprünge sind klar ersichtlich, wenn auch selten zusammenhängend, die Handlungsstränge vorhersehbar und kreatives Brachland.
Väter und Töchter – Ein ganzes Leben eröffnet sich als emotionales Familiendrama, flüchtet sich aber immer wieder in überzeichnete Darbietungen und bekanntes Szenenmaterial. Die Vater-Tochter Liebe ist besonders durch die junge Katie der wohl beste Part des Films, wird jedoch vom fragwürdigen Liebeschaos ihres 25 Jahre älteren Ichs aus dem Zusammenhang gerissen. Wie auch Michael Boltons Song zum Film, ist alles ein wenig zu gewollt, zu kalkuliert und auf die Tränen des Zuschauers ausgelegt. Weniger ist mehr und mehr Sensibilität für das Thema hätte der Film definitiv vertragen können. Aufgebautes Potential wird unter plumper Dramaturgie vergraben und verkommt trotz Star-Line-ups zum pathetischen Einheitsbrei.
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