(„Ano Hi Mita Hana no Namae o Bokutachi wa Mada Shiranai“ directed by Tatsuyuki Nagai, 2011)
Auch Jahre später schafft es Jinta einfach nicht, den Tod seiner Jugendfreundin und heimlichen Liebe Menma zu vergessen. Das liegt zum einen daran, dass das Ereignis zu traumatisch war, an diesem später auch die Clique der „Super Peace Busters“ zerbrach. Zum anderen daran, dass Menma nicht wirklich gegangen ist. Als Geist ist sie noch immer ein fester Bestandteil von Jintas Leben, fordert von ihm Aufmerksamkeit, zumindest so lange, bis ihr Herzenswunsch erfüllt wird. Einfach ist das nicht gerade. Nicht nur, dass Menma selbst nicht mehr weiß, welcher Wunsch das war, die anderen Freunde aus der damaligen Zeit können die Verstorbene überhaupt nicht sehen und wollen seiner Geschichte dann auch zunächst keinen Glauben schenken.
Ein Junge, der von einem weiblichen Geist verfolgt wird, für den er Gefühle hegt – das hört sich zunächst doch sehr nach der kürzlich veröffentlichten Mangaadaption Dusk Maiden of Amnesia an. Und auch der anfängliche Humor der beiden Animeserien ist so weit nicht auseinander: Wenn da ein eigentlich totes Wesen in deinem Leben herumspukt und tatsächlich mir dir interagiert, von niemandem sonst aber gesehen werden kann, dann hat das fast zwangsläufig komische bis peinliche Situationen zur Folge. Die dritte Gemeinsamkeit: Beide Geister sind nicht ohne Grund noch immer da, haben wichtiges zu erledigen, bevor sie endlich ihren Frieden finden können, was mit viel Vergangenheitsverarbeitung einhergeht.
Schon relativ bald bewegen sich die beiden Serien dann aber doch in recht unterschiedliche Richtungen weiter: Während bei der Geschichte um die vergessliche Tote der Horroraspekt viel stärker im Vordergrund steckt, spielt die Tatsache, dass Menma ein Geist ist, keine allzu große Rolle. So richtig darüber wundern will sich wohl auch niemand. Stattdessen beleuchtet AnoHana die Verhältnisse zwischen den einzelnen Mitgliedern der Clique weiter aus, nimmt den Tod des Mädchens nur zum Anlass, um alte Wunden freizulegen. Der Ansatz ist interessant, wie es sich für einen Vertreter der alternativen Animeschiene noitaminA gehört, versuchte man zumindest, dem Szenario einer auseinandergegangenen Freundesgruppe eine neue Seite abzugewinnen.
Über weitere Strecken gelingt es Regisseur Tatsuyuki Nagai (Waiting in the Summer, The Anthem of the Heart) auch ganz gut, nach und nach die dunklen Stellen auf den Herzen seiner Protagonisten freizulegen. Durch ständige Flashbacks stellt er Vergangenheit und Gegenwart nebeneinander, zeigt die Unterschiede, aber auch wie aus Freundschaft Gleichgültigkeit, teilweise sogar Feindseligkeit wurde. Bemerkenswert ist dabei, mit welcher Ruhe und Souveränität der Anime hier zunächst vorangeht, kleine Momente auf den Bildschirm zaubert und der Geschichte viel Zeit zur Entfaltung einräumt. Diese Momente können mal schön sein, dann auch wieder traurig, schließlich handelt AnoHana auch davon, wie wir mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen – was jeder auf seine Weise tut.
Leider traute man sich aber nicht, diese zurückgenommene, eher erwachsene Art bis zum Schluss beizubehalten. Drehbuchautorin Mari Okada, die schon in Black Rock Shooter und Selector Infected WIXOSS die Angewohnheit zeigte, die seelische Qual ihrer Protagonisten ohne Rücksicht auf Verluste auszuschlachten, tut dies auch hier wieder. Anstatt ihre Geschichte über eine Gruppe von Freunden beizubehalten, kommt nun so viel Brechstangen-Herzschmerz hinein, dass die Serie komplett auseinanderbricht und auf den letzten Metern vieles zunichte macht, was vorher mühselig und mit Liebe zum Detail aufgebaut wurde. Nicht nur, dass die diversen amourösen Verwicklungen in dem Ausmaß kaum noch glaubwürdig sind, sie wurden auch noch auf eine recht plumpe Weise aufgelöst, die eher belustigt als bewegt. Schade um die bis dahin recht angenehme Serie, deren Optik aus dem Haus A-1 Pictures (Sekai Seifuku, Sekunden in Moll) immerhin zweckmäßig, die Musik sogar recht schön war. Wer Animes gerade der zwischenmenschlichen Aspekte wegen schaut, wird hier vermutlich dennoch seine Freude haben, auch wenn die Mischung aus Zurückhaltung und Melodram nicht wirklich stimmig ist.
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