(„Armitage III“ directed by Hiroyuki Ochi, 1995)
Seitdem sein Partner durch einen Roboter getötet wurde, ist der Polizist Ross Sylibus nur mit schwerem Herzen bei der Sache. Ein Wechsel zur Polizei auf dem Mars, der im Jahr 2046 längst besiedelt ist, soll ihn auf andere Gedanken bringen. Doch schon auf dem Flug wird er von der Vergangenheit eingeholt, als die mit ihm reisende Countrysängerin Kelly McCannon ermordet wird. Mehr noch: Der vermeintliche Mensch war in Wahrheit ein „Third“ ist, ein derart weit entwickelter Android, dass er kaum noch von echten Menschen zu unterscheiden ist. Und es soll nicht bei diesem einen Mord bleiben: Jemand scheint gezielt Jagd auf die Thirds zu machen, zusammen mit seiner jungen Partnerin Naomi Armitage soll ausgerechnet Ross diese Verbrechen aufklären.
Heute ist Armitage III ein bisschen in Vergessenheit geraten, in den 90ern gehörte der Anime aber zu den bekannteren Titeln einer riesigen Cyberpunk-Welle, die oftmals den Grenzbereich zwischen Mensch und Maschine ausloteten. Tatsächlich erinnert das hier des Öfteren an den zeitgleich erschienenen Klassiker Ghost in the Shell, wenn darüber nachgedacht wird, was Menschen eigentlich ausmachen. Welche Auswirkungen hat es beispielsweise, wenn einzelne Körperteile durch Technik ersetzt werden? Wie viel Technikanteile verträgt ein Mensch, bevor er sein Menschsein verliert? Und wie sieht es aus mit den Rechten künstlicher Menschen? Haben die überhaupt welche?
Neu sind diese existenziellen Gedanken natürlich nicht, aber doch auch zwanzig Jahre später immer noch spannend. Zudem interessiert sich Drehbuchautor Chiaki J. Konaka, der einige Jahre später mit Serial Experiments Lain und Texhnolyze zwei tatsächliche Science-Fiction-Klassiker ersann, hier noch ein bisschen mehr für das Drumherum. Was bedeutet es eigentlich für eine Gesellschaft, wenn Teile von ihr nur noch künstlich sind? Wie gehen Menschen mit ihren geschaffenen Brüdern und Schwestern um? Wenn es auf dem Mars zur Hexenjagd auf Roboter kommt, weil diese den Menschen die Arbeit geraubt haben, dann zeigt sich hier eine thematische Verwandtschaft zu Robotic Angel, was ebenfalls nicht die schlechteste Referenz ist.
Doch trotz dieser vielen zum Denken anregenden Elemente und eines anfänglich spannenden Krimirahmens, so richtig überzeugend ist Armitage III am Ende nicht. Das hat zum einen optische Gründe: Das von AIC (Bubblegum Crisis, Green Legend Ran) umgesetzte Werk kann es nie mit der Konkurrenz oben aufnehmen, sieht aufgrund schlichter Animationen und leerer Hintergründe an vielen Stellen einfach zu billig aus. Und das fällt bei einem Anime, der zum Ende hin doch sehr auf Action setzt, schon recht störend auf. Irritierend ist aber auch der Hang zum Fanservice: Gleich zu Beginn läuft eine Stewardess halbnackt durch die Gänge, Armitage selbst ist in Lack-und-Leder-Strapsen gekleidet. Dazu gibt es vor sich hin dudelnde Synthesiser-Rockmusik, die wie die Bilder auch ihr Alter nicht verbergen kann.
Aber auch inhaltlich enttäuscht der Anime mit der Zeit. Dass wir rund 20 Minuten warten müssen, bevor wir erste Informationen zum Szenario erfahren dürfen, darüber ließe sich noch hinwegsehen. Ärgerlich aber sind die etwas aufgesetzten Twists, die für mehr Dramatik sorgen sollen, und das bizarr-konfuse Finale, in dem Konaka die Geschichte entgleist. Da passt so einiges nicht mehr zusammen, es gibt wilde Sprünge über Logiklöcher und einige befremdliche Konzepte, eine groteske Actionszene ersetzt die anfängliche Nachdenklichkeit. Da hätte es vielleicht auch einfach mehr Zeit gebraucht, um manches etwas mehr auszuführen und so der Sprunghaftigkeit entgegenzuwirken. Umso erstaunlicher ist es, dass die vierteilige Direct-to-Video-Produktion zwei Jahre später zu einem Film namens Armitage III: Poly-Matrix zusammengekürzt wurde, der 2002 noch eine tatsächliche Fortsetzung mit dem Titel Armitage III: Dual-Matrix folgte.
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