(„Bang Gang“ directed by Eva Husson, 2015)
Die 16-jährigen Schülerinnen George (Marilyn Lima) und Laetitia (Daisy Broom) sind beste Freundinnen, gehen durch dick und dünn, teilen alle Erlebnisse miteinander. Das ändert sich jedoch schlagartig, als sie eine weitere Gemeinsamkeit entdecken: Alex (Finnegan Oldfield), den coolen Mitschüler, in den sich beide verlieben. Während emotional so eine Eiszeit entsteht, kommt man sich körperlich immer näher. „Bang Gang“ nennen die Jugendlichen ihre Partys, in der alle möglichen Leute zusammenkommen, um im Rahmen eines Spiels ihre sexuellen Gelüste auszuleben. Nur Laetitias eher verschlossener Nachbar Gabriel (Lorenzo Lefebvre) kann dem munteren Treiben so gar nichts abgewinnen.
Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus lautet der etwas reißerische deutsche Untertitel, lässt einen als Zuschauer kontinuierliche Grenzüberschreitungen erwarten, vielleicht auch Abgründe. Erfüllt werden diese Erwartungen aber nur zum Teil. Jugendliche, die ungeschützten und wahllosen Sex miteinander haben, das taugt heute dann doch nicht mehr als Aufreger, ist längst in der realen wie fiktiven Welt zum Alltag geworden. Es wirkt vielmehr naiv, fast schon putzig, wie die Protagonisten hier persönliche Freiheit zu erreichen versuchen, indem sie demonstrativ ohne Scham ihre Kleidung ablegen – was von einem der Väter dann auch wenig schockiert als mittelmäßige Belanglosigkeit abgetan wird.
Und doch ist das Debüt der französischen Regisseurin und Drehbuchautorin Eva Husson nicht auf den bloßen Schockeffekt aus, nicht nur zumindest. Dafür sind beispielsweise die Sexszenen zu harmlos, da ist selbst YouTube noch deutlich freizügiger. Und trotz des demütigenden Endes der Sexgruppe geht es auch nicht um eine Verurteilung der Spielsüchtigen. Stattdessen begegnet Husson ihren jungen Protagonisten mit viel Verständnis für deren Versuche, sich auszuprobieren und selbst zu finden. Mit 16, 17 Jahren, da ist der Drang nach Selbstverwirklichung schon stark ausgeprägt, ohne dass damit schon die Gewissheit einherginge, wer man ist und wohin man will. Am besten verdeutlichen das die Orgienszenen selbst: Wo anfangs eine unglücklich Verliebte auf Anerkennung drängt, sieht man später nur noch umeinandergeschlungene Körper, die jede Individualität vermissen lassen. Nur hin und wieder huscht dann noch mal ein erkennbares Gesicht durchs Bild, ansonsten hat man sich längst im Kollektiv verloren.
Dass das hier alles ein bisschen flott zur Sache geht, bis auf eine Ausnahme alle sofort beim fleißigen Gerammel mitmachen, darüber sei an der Stelle einfach mal hinweggesehen. Interessanter sind ohnehin die Momente, in denen sich George, Laetitia und Co. nicht mehr hinter dem Kollektiv verstecken können, sondern sich mit ihrer Individualität und auch derer der anderen auseinandersetzen müssen – ein körperlich geprägtes Coming of Age, wenn man so will. Die wenig bekannte Darstellerriege liefert hierbei auch sehr gute Arbeit ab, bei den Streitigkeiten innerhalb der Gruppe oder auch mit der Familie fällt es nicht sonderlich schwierig, an seine eigenen Erfahrungen zurückzudenken. Ein bisschen ist der gesamt Film auch von einer Nostalgie geprägt. Von dem Bestreben, aus diesem einen Sommer etwas ganz Besonderes machen zu wollen. So ganz gelingt das jedoch nicht, dafür fehlen gerade in der zweiten Hälfte zu sehr die erinnerungswürdigen Momente oder auch eine sich tatsächlich steigernde Intensität. Vielmehr tritt Bang Gang längere Zeit auf der Stelle, gerade angesichts des Anspruchs, von einem aufregenden Lebensabschnitt erzählen zu wollen.
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