(„Bakemono no Ko“ directed by Mamoru Hosoda, 2015)
Nach dem plötzlichen Unfalltod seiner Mutter streift der 9-jährige Ren voller Wut durch die Straßen Tokios, als ihm plötzlich der bärengleiche Krieger Kumatetsu gegenübersteht. Der ist auf der Suche nach einem Schüler, einem Rat des Herrschers des Königreichs der Biester folgend, um so mehr Disziplin zu lernen und selbst Herrscher werden zu können. Daran hat Ren zunächst nur wenig Interesse, folgt dem geheimnisvollen Wesen aber doch noch durch eine magische Tür und schließt sich tatsächlich Kumatetsu an. Gemeinsam arbeiten sie an ihren Kampffertigkeiten, aber auch darüber hinaus finden die beiden zunehmend zusammen. Bis Ren entscheidet, auch seine alte Welt der Menschen wiederentdecken zu wollen.
Wenige Animeregisseure haben sich in den letzten Jahren einen derart großen Namen gemacht wie Mamoru Hosoda. Das liegt sicher zum einen daran, dass es nur noch wenige gibt, die sich tatsächlich dem Film widmen, anstatt „nur“ fürs Fernsehen zu produzieren. Aber natürlich auch an der Qualität: Das Mädchen, das durch die Zeit sprang, Summer Wars und Ame & Yuki kombinierten gefühlvolle Geschichten mit originellen Szenarien, garnierten das Ganze zudem mit einer sehenswerten Optik. Letztere ist geblieben, auch wenn sein ehemaliges Stammstudio Madhouse nun nicht mehr beteiligt ist, sondern sich ausschließlich das eigene Studio Chizu für die Bilder verantwortlich zeigt.
Die Hintergründe sind dabei wundervoll geworden, eine Mischung aus Realismus und Kunstfertigkeit, die man sich immer wieder gern anschaut. Auch die Animationen sind in Ordnung, was angesichts der vielen Kampfszenen in Der Junge und das Biest schon die halbe Miete ist. Eher enttäuschend sind jedoch die tendenziell nichtssagenden Designs, welche auch Hosodas frühere Filme plagten. Wer sich das Reich der Biester als einen vergleichbaren Ort der Wunder wie in Chihiros Reise ins Zauberland erhofft, wird enttäuscht: Humanoide Tiere sind hier an der Tagesordnung, etwas langweilig, ohne jegliche Besonderheiten oder hervorzuhebende Details.
Ganz unpassend ist das jedoch leider nicht, denn auch beim Inhalt schwächelt Hosoda, der dieses Mal ohne seine Stammautorin Satoko Okudera auskommen muss. Und dass der Japaner damit ein wenig überfordert ist, das merkt man an vielen Stellen. Zwei Stunden dauert Der Junge und das Biest, was gleichzeitig zu viel und zu wenig ist. Zu viel, weil die Geschichte sich zwischenzeitlich immer mal wieder zieht, gerade auch wenn der Anime zu einer Fantasy-Variante von Karate Kid verkommt. Gleichzeitig hätte Hosoda wohl deutlich mehr Zeit gebraucht, um einzelne Aspekte auszubauen bzw. ihnen mehr Tiefe zu verleihen.
Beispiel: das Verhältnis zwischen Ren und seinen beiden (Zieh-)Vätern. Für etwas, das den Kern des gesamten Films ausmacht, wird das hier nur sehr stiefmütterlich abgehandelt. In dem einen Moment ist man sich spinnefeind, dann beste Freunde, nur um sich dann aus heiterem Himmel doch wieder zu streiten, ohne dass in der Situation ersichtlich würde warum. Eine wirkliche Entwicklung ist Hosoda hierbei nicht geglückt, stattdessen gibt es nur Momentaufnahmen. Und auch ein recht spät eingefügtes Element in Form eines zweiten unglücklichen Jungen wird nur sehr rudimentär erzählt, dient eigentlich nur dramatischen Zwecken. Schöne Szenen gibt es natürlich immer wieder, gerade auch wenn Ren versucht, wieder in der Welt der Menschen Fuß zu fassen, seine Erfahrungen in der Fantasywelt zur Ausgangsbasis eines Coming-of-Age-Dramas werden, oder auch während einzelner beeindruckender Kamerafahrten. Aber es bleiben eben Szenen, ohne dabei zu einer zusammenhängenden Geschichte zu werden. Sehenswert ist das trotz allem, insgesamt sicher auch einer der besseren Animefilme der letzten Zeit. Im Vergleich zu den anderen Hosoda-Originalwerken nimmt Der Junge und das Biest jedoch nicht zuletzt aufgrund des Fehlens tatsächlich neuer Ideen nur den letzten Platz ein.
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