(„Gurren Lagann“ directed by Hiroyuki Imaishi, 2007)
Nach unserer Rückschau auf den Zweiten Weltkrieg vergangene Woche in Die langen großen Ferien steht in Teil 116 unseres fortlaufenden Animationsspecials wieder unsere Zukunft auf dem Programm. Die ist zwar immer noch von Kriegen geprägt, dabei aber so absurd, dass einem das oft nicht viel ausmacht.
In der fernen Zukunft haben sich die Menschen tief unter die Erdoberfläche zurückgezogen und dort eine weit verzweigte Zivilisation aufgebaut. Der junge Simon ist einer der Arbeiter, deren Aufgabe es ist, neue Tunnel zu graben, worin er auch immer wieder großes Geschick beweist. Aber all das soll sich ändern, als er während seiner unterirdischen Ausflüge ein seltsames Gesicht entdeckt, welches sich als Roboter herausstellt. Zusammen mit seinem Blutsbruder Kamina und Yoko aus einem Nachbardorf macht er sich auf, entgegen aller Verbote endlich einmal die Welt da oben kennenzulernen. Ganz so wie gedacht ist die jedoch nicht: Es dauert nicht lange, bis sie von Tiermenschen attackiert werden, die selbst Riesenroboter steuern.
Die Japaner und ihre Faszination für Mecha: Seit den 50ern schon sind die riesigen Roboter aus Manga, später auch Anime nicht mehr wegzudenken, gerade der Science-Fiction-Bereich ist voll von den mechanischen Ungetümen. Im Westen konnte man sich dieser Vorliebe zwar nie so ganz anschließen, aber auch dort genossen Titel wie Neon Genesis Evangelion, Patlabor oder Vision of Escaflowne Klassikerstatus. Wenn es um empfehlenswerte Beispiele geht, wird zudem Gurren Lagann immer wieder gern genannt, wenngleich das fast automatisch mit einer Fußnote verbunden ist. Denn das, was hier geboten wird, ist gleichzeitig klassisch und ganz anders, eine Parodie auf bekannte Mechanismen und dabei erstaunlich ernst, sogar erwachsen.
Dass Gurren Lagann keine ganz gewöhnliche Mecha-Serie verrät schon der Blick auf den titelgebenden Roboter, dessen Mittelteil aus einer überdimensionierten Sonnenbrille und einem breiten Grinsen besteht. Allgemein sind die Designs überaus kurios gehalten, egal ob es nun die grotesken Maschinerien sind oder die Tiermenschen, mit denen es das Trio im Anschluss zu tun bekommt. Auch sonst startet der Anime regelmäßig Angriffe auf die Lachmuskeln, was manchmal besser funktioniert (das maulwurfähnliche Maskottchen Boota, der Transgender-Mechaniker), mal eher weniger (der Hang zum Fanservice inklusive der obligatorischen Strandfolge). Und dann wären da noch die Roboter, die mit der Zeit immer größer werden und dabei bewusst lächerliche Namen erhalten – wie es eben auch Mechaserien früher gehandhabt haben.
Aber das ist eben nur die eine Seite der Serie. So absurd die Geschichte auch ist, Regisseur Hiroyuki Imaishi und Autor Kazuki Nakashima, die zusammen später auch die Magical-Girl-Parodie Kill la Kill auf die Beine gestellt haben, haben erstaunlich viel zu erzählen. Wo andere Kollegen bereits den Schlusspunkt gesetzt hätten, da fangen die beiden erst an: Gurren Lagann macht zur Mitte hin eine Kehrtwendung, führt den Zuschauer in eine Richtung, die unerwartet ernst und gar ambitioniert ist. Dazu kommen düstere bis dystopische Untertöne, selbst politisch wird es mitunter. Schön ist zudem, dass Protagonisten hier im Laufe der 27 Folgen eine für Animes erstaunlich hohe Entwicklung durchmachen, innerlich wie charakterlich.
Im Mittelpunkt stehen aber bis zum Schluss die Kämpfe, die trotz des Humors auch auf der technischen Seite überzeugen können: Das Animationsstudio Gainax, das sich zuvor sowohl mit Mechas (Neon Genesis Evangelion) wie auch mit Parodien (Magical Shopping Arcade Abenobashi) in die Herzen der Fans katapultiert hat, erfreut Auge und Herz mit flüssigen Larger-than-Life-Schlachten, in der fast alles auch wirklich kaputt gehen darf, gegen Ende hin gibt es auch einige sehr schöne abstrakte Szenen. Dass da einiges nicht wirklich Sinn ergibt, muss man in Kauf nehmen, gesellschaftskritische Töne und lustvoller Blödsinn geben sich hier oft und gern die Hand. Auch dass die Balance manchmal nicht ganz stimmt, trübt den Eindruck ein wenig: Die Zahl der Nebenfiguren wächst rasant an, ohne dass diese dabei eine Persönlichkeit erhalten würden, auch die interessante Erkundung der Erdoberfläche hätte länger ausfallen dürfen. Dafür nehmen sich andere Partien mehr Zeit, als ihnen wirklich zustehen würde. Aber selbst wenn sich Gurren Lagann an manchen Stellen etwas zieht, Freunde irrwitziger, temporeicher Geschichten sind hier an der richtigen Stelle, dürfen bis zum Schluss ein Feuerwerk der seltsamsten Ideen bewundern.
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