(„Les Saisons“ directed by Jacques Perrin and Jacques Cluzaud, 2015)
Das Regieduo Jacques Perrin und Jacques Cluzaud ist im Bereich der Naturdokumentation bereits bestens bekannt: Sowohl Nomaden der Lüfte wie auch Unsere Ozeane gehen auf das Gespann zurück. Bei ihrer neuesten Zusammenarbeit wurden die Ambitionen aber noch einmal ein ganzes Stück nach oben geschraubt: Über mehr als 15.000 Jahre erstreckt sich der Inhalt, vom Ende der letzten Eiszeit bis zur Gegenwart.
Da das mit den Aufnahmen so lange zurückliegender Zeiten naturgemäß ein bisschen schwieriger ist, bedienen sich die beiden des guten alten Reenactments. Das betrifft zum einen die Menschen, die zwar sehr lange auf sich warten lassen, später aber doch noch zu ein paar Szenen kommen. Mal sind sie in Tierfell gehüllt mit Pfeil und Bogen unterwegs, danach holzen sie Bäume ab, um für die Königin ein Schiff zu bauen, gegen Ende hin sehen wir sie in Schützengräben – jedes Mal mit unangenehmen Folgen für die Natur.
Die Absicht von Unsere Wildnis ist dann auch klar, ähnlich zu so vielen anderen Naturdokumentationen wie etwa Magie der Moore soll an das ökologische Herz des Menschen appelliert werden, Flora und Fauna doch noch ein bisschen Platz zu lassen. Ganz so didaktisch, wie sich das hier anhört, ist es jedoch nicht, erst zum Schluss hin wird es ein wenig moralischer. Vorher beschränken sie sich darauf, die Schönheit der Natur zu zeigen, um so zu verdeutlichen, wie viel eigentlich auf dem Spiel steht. Tatsächlich wird im Laufe der gut anderthalb Stunden nur sehr wenig gesprochen. Hin und wieder meldet sich Schauspieler Sebastian Koch aus dem Off zu Wort, um etwas zu erläutern, um am Ende die Aussage des Films nicht unausgesprochen zu lassen. Ansonsten aber erinnert uns nur die getragene Musik daran, dass wir uns einen Film anschauen und nicht gerade selbst in der Wildnis unterwegs sind. Mitten drin statt nur dabei, lautet die Devise, was die Franzosen hier auf den Bildschirm gezaubert haben, das ist schon sehr stark.
Und auch sehr abwechslungsreich. An manchen Stellen wird die Idylle betont, etwa wenn eine Füchsin mit ihren Jungen spielt. Wir beobachten ein Gleithörnchen, wie es durch die Baumwipfel segelt. Auch die kleinsten Waldbewohner, Insekten der unterschiedlichsten Arten, bekommen ihre großen Auftritte. Und wem selbst das nicht reicht, der darf seinen Blick über majestätische Landschaften streifen lassen, die zwar heutigen entlegenen Berggebieten entnommen sind, die man sich in der Form aber auch leicht vor Tausenden von Jahren hätte vorstellen können.
Dass Natur mehr sein kann, oft auch mehr ist, wird aber ebenfalls nicht verschwiegen. Da gibt es immer wieder Kämpfer innerhalb einer Art, wenn etwa mächtige Bären aufeinander einschlagen oder Hirsche sich Duelle mit ihren Geweihen liefern. Und natürlich bedeutet Wildnis „fressen und gefressen werden“. Ob es nun das besagte Fuchsjunges ist, das von einer Wildkatze gejagt wird, oder sich Wölfe zusammenrotten, um Pferde zu erlegen, verschwiegen wird nicht, dass es durchaus blutig zur Sache gehen kann. Bis zum Äußersten gehen die Bilder jedoch nicht, schließlich wollte man trotz allem einen Film für die gesamte Familie haben. Und da werden Tierfetzen weniger förderlich gewesen. Ein bisschen geschönt ist Unsere Wildnis also schon und auch nicht ganz so informativ, wie sich das der eine oder andere vielleicht gewünscht hätte. Aber es bleibt ein faszinierender Blick auf eine Natur, wie wir sie in unserem Alltag schon lange nicht mehr erleben dürfen und von der eine Erhabenheit ausgeht, die das didaktische Ende dann doch auch rechtfertigt.
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