(„Our Kind of Traitor“ directed by Susanna White, 2016)
Um seiner Ehe eine letzte Chance zu geben, verbringt Oxford-Dozent Perry (Ewan McGregor) mit seiner Frau Gail (Naomie Harris) einen rettenden Urlaub unter der Sonne Marrakeschs. An einem ihrer letzten Abende lernt er den Russen Dima (Stellan Skarsgård) kennen, der ihn in seine Welt der Schönen und Reichen eintauchen lässt. Gemeinsam trinken sie teuren Champagner und feiern in die Nacht hinein, bis der Russe ihm seine wahren Intentionen offenbart. Er ist Buchmacher der russischen Mafia, die seit einiger Zeit unter neuer Führung auf dem Kriegspfad ist und ihn nun aus dem Weg räumen will. Sein Plan: Im Austausch für Namen und Accounts seiner Klienten, möchte er zusammen mit seiner Familie, unter dem Schutz des SIS, in England leben. Perrys Aufgabe: Die Nachricht an die englischen Behörden weiterleiten und als Mittelsmann zwischen den beiden Parteien fungieren. Natürlich läuft nicht alles nach Plan, der Geheimagent Hector (Damian Lewis) ist misstrauisch gegenüber Dimas Kredibilität, und als die Mafia vom Plan ihres Landsmann Wind bekommt, geraten auch seine Familie, Perry und Gail in die Schusslinie.
Ein weiterer John le Carré Roman, ein weiterer Thriller der Potential verspricht! Nach Der Ewige Gärtner (2005), Dame, König, As, Spion (2011) und A most Wanted Man (2014) folgt nun der nächste Streich des Autors und ehemaligen SIS-Agenten. An seiner Seite die Regisseurin Susanna White, ihrerseits überwiegend für TV-Serien wie Parade’s Ende verantwortlich, sowie Drehbuchautor Hossein Amini, der bereits an Filmen wie Drive und 47 Ronin beteiligt war. Sobald der Altmeister um den Leinwandtanz bittet, lassen auch die Stars nicht lange auf sich warten, welche mit Ewan McGregor (The Impossible), Naomie Harris (James Bond 007: Spectre), Stellan Skarsgård (Marvel’s The Avengers) und Damian Lewis (Homeland) das Ensemble abrunden und bereit für das Spionage-Spiel des Briten sind.
Vom traumhaften Marrakesch ins verregnete London, über die französischen Alpen und mehr. Wer von der Mafia gesucht wird, kommt wahrlich rum und wer für sie arbeitet, für den spielt Geld keine Rolle. Dima liebt den Luxus, aber vor allem seine Familie, während Perry als Dozent sein Abenteuer bei der weiblichen Fraktion seiner Studenten sucht. Der Film spielt mit der Loyalität zweier Männer. Für den einen ist Treue das Ein und Alles, für den anderen bis dato ein Fremdwort. Die Ironie der ungleichen Freundschaft außen vor gelassen, werden die Protagonisten nur sporadisch erklärt. Dima ist ein Familienmensch, ruppig aber herzhaft, und stellt das Wohl seiner Familie über alles. Perry will raus aus dem Alltagstrott und findet in ihm einen guten Freund. Gail entdeckt eine neue Seite an ihrem Mann und ihren Beschützerinstinkt für Dimas Familie, die sie schnell lieb gewonnen hat. Geheimagent Hector sucht den großen Fall, hat aber nicht einmal den Rückhalt seiner Vorgesetzten, wodurch die ganze Mission unter dem Radar läuft, aber eher wie Geplänkel wirkt.
Die Geschichte ist solide, aber zu gradlinig; aktuell, aber zu altmodisch. John le Carrés Talent in allen Ehren fehlt es den Charakteren an Tiefe, an Essenz. Und mag das Duo, bestehend aus Stellan Skarsgård und Ewan McGregor, die Handlung über weite Strecken hinweg tragen, übermannt sie auf Dauer die erdrückende Last des vorhersehbaren Plots. Selbst das Mafia-Oberhaupt ist nur der Sohn, der erst vor Kurzem das Kommando übernommen hat und noch völlig grün hinter den Ohren ist. Die Geschichte ist zufriedenstellende Spionage-Kost, wird aufgrund fehlender Persona dennoch austauschbar und markiert einen weiteren Titel des inzwischen eingerosteten Genres.
Verräter wie wir tarnt sich als nervenaufreibender Thriller, von dem im fertigen Film leider nicht viel übrig bleibt. Die C-Riege an SIS-Agenten und Mafiosi wirkt beinahe rührselig, käme es nicht ab und an zu Schusswechseln, die neues Adrenalin in die trockenen Filmvenen schießen. Was an Thriller fehlt, kann an einzelnen Stellen durch ein interessantes Familiendrama wieder auftrumpfen. Gerade die Erzählung um Dimas Familie und der wachsenden Freundschaft zwischen ihm und Perry trägt den sonst müden Ablauf. Leider verkommen Letzterer und Gail zu Mitläufern in Spe, deren Hintergrund zu keinem Zeitpunkt eine Rolle spielt und auch Agent Hector wirkt nicht selten Fehl am Platz oder gar überfordert. Ob Thriller oder Drama, die Frage besteht auch nach Ablauf des Abspanns und hinterlässt einen leicht bitteren Geschmack der positiven Romankritiken.
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