(„Maryland“ directed by Alice Winocour, 2015)
Zwar ist der ehemalige Soldat Vincent (Matthias Schoenaerts) schon seit einer Weile zurück aus Afghanistan, seine Kriegserfahrungen haben ihn aber noch immer nicht losgelassen. Auch als er zwischen zwei Auslandseinsätzen in Frankreich für eine Sicherheitsfirma arbeitet und von dem Geschäftsmann Whalid (Percy Kemp) engagiert wird, auf dessen Frau Jessie (Diane Kruger) und ihren Sohn Ali (Zaïd Errougui-Demonsant) aufzupassen, kommen die Erinnerungen immer wieder zurück. Und damit die Furcht: Hinter jeder Ecke, hinter jedem Menschen vermutet Vincent eine Gefahr.
Ein ehemaliger Soldat, der die hübsche Frau eines Geschäftsmanns beschützen soll, dazu noch der leicht reißerische deutsche Titel, das hört sich schon sehr nach einem der vielen B-Movies an, über die man in Videotheken stolpert. Wären da nicht zwei Punkte, die einen zumindest ein wenig aufhorchen lassen. Zunächst einmal werden die beiden Hauptrollen von Matthias Schoenaerts und Diane Kruger gespielt, die sich international längst zu sehr etabliert haben, um sich für einen x-beliebigen französisch-belgischen me-too-Streifen hergeben zu müssen. Außerdem gehen hier Regie und Drehbuch auf das Konto einer Frau, genauer der Französin Alice Winocour, die auch an dem gefeierten Mustang beteiligt war. Und das ist in einem derart testosterondurchtränkten Subgenre doch ein wenig ungewöhnlich.
Mit den üblichen Bleigewittern aus dem Segment hat Der Bodyguard dann auch nur relativ wenig am Hut. Geschossen wird auch hier, ja, aber erst relativ spät. Nicht nur, dass schon ein Drittel des Films vorbei ist, noch bevor Vincent seine neue Stelle antritt. Lange Zeit lässt Winocour den Zuschauer zudem im Unklaren, ob es da überhaupt eine Bedrohung gibt oder ob Vincent aufgrund seines Traumas sich alles nur einbildet. Interessant dabei ist, wie hier die aus Psychothrillern bekannte Verwischung von Realität und Einbildung umgesetzt wird: durch Geräusche. Mal ist es ein Gespräch, das Vincent aufgeschnappt haben will, dann sind es wieder verfremdete Töne, die ihn in die Knie zwingen, während wir von Anfang an aufgrund eines Arztbesuches wissen, dass sein Gehör ihm Schwierigkeiten bereitet. Dass in Der Bodyguard nicht wirklich etwas zu sehen ist, unterstreicht dann geschickt das Gefühl, dass wir unserem eigenen Protagonisten nicht trauen können. Dass wir letztendlich gar nicht wissen können, was hier eigentlich vor sich geht.
Umso bedauerlicher, dass Winocour diesen interessanten Ansatz später wieder aufgibt und auf dann doch deutlich konventionelleren Thriller-Wegen wandelt. Größere Experimente oder Überraschungen bleiben dann aus, aber trotz dieser neuentdeckten Gradlinigkeit bleibt unklar, worum es in Der Bodyguard dann noch gehen soll. Um Vincents anhaltenden seelischen Kriegswunden? Um eine Annäherung zwischen ihm und Jessie? Um die finsteren Geschäfte von deren Mann? Fragen gibt es zu dem Zeitpunkt viele, Antworten eher nicht. Und die, die wir erhalten, lassen einen dann auch eher achselzuckend zurück. Schoenaerts ist als grobschlächtiger und zugleich melancholischer Klotz, der sein Innenleben hinter Muskelpaketen zu verstecken versucht, natürlich sehenswert, der Paraderolle in seinem internationalen Durchbruch Der Geschmack von Rost und Knochen nicht unähnlich. Von einem überraschend gewalttätigen Finale einmal abgesehen bekommt aber auch er gegen Ende hin zu wenig zu tun, die anfangs so intensive Atmosphäre macht nicht etwa einer größeren Spannung Platz, sondern dem bloßen Warten auf das Ende.
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