Genius
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Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft

(„Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft“ directed by Michael Grandage, 2016)

Genius
„Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft“ läuft ab 11. August im Kino

Zu ausschweifend, zu lang – egal, wo der Autor Thomas Wolfe (Jude Law) 1929 sein Manuskript vorstellt, es wird konsequent abgelehnt. Erst bei Max Perkins (Colin Firth) stößt er auf Interesse, was durchaus etwas heißen will: Als Lektor beim renommierten Verlagshaus Charles Scribner’s Son hat er schon mit Größen wie Hemingway und Fitzgerald zusammengearbeitet. Und auch in Max scheint er, anders als seine Kollegen, großes Potenzial zu sehen, ist bereit, mit ihm das umfangreiche Werk durchzugehen und daran zu feilen, bis es perfekt ist. Leidtragende dieser Arbeitswut sind ihre jeweiligen Frauen Aline Bernstein (Nicole Kidman) und Louise Perkins (Laura Linney), die während dieser Zeit kaum noch beachtet werden.

Es ist ein wenig das Schicksal von Lektoren, dass sie hinter den Werken ihrer Schützlinge verschwinden, selbst wenn sie großen Anteil daran gehabt haben sollten, dass diese Werke überhaupt zustande kamen. Selbst Max Perkins, der mit großen Künstlern zusammen gearbeitet hat und Inhalt der preisgekrönten Biografie „Max Perkins: Editor Of Genius“ ist, dürfte allenfalls Literaturwissenschaftlern etwas sagen. Daran wollte der erfahrene Theater-Regisseur Michael Grandage, der hier sein Filmdebüt gibt, wohl zusammen mit Drehbuchautor John Logan (Penny Dreadful, Spectre) etwas ändern und beleuchtet daher das Verhältnis zwischen ihm und Wolfe etwas näher.

Warum es ausgerechnet dieser Autor wurde, darüber darf man spekulieren, der enorme Kontrast dürfte da aber nicht ganz unschuldig gewesen sein: Während Max eher introvertiert und diszipliniert ist, ist der aufbrausende Thomas das genaue Gegenteil – charakterlich wie literarisch. Da werden einer Ankunft am Bahnhof im Buch schon einmal 80 Seiten gewidmet, der Autor benutzte lieber fünf Wörter zu viel als eins zu wenig. Dass es zwischen zwei so grundverschiedenen Menschen deutlich knirscht, ist klar, ein Großteil von Genius beschreibt, wie die beiden zusammenfinden und um Kompromisse feilschen, aber auch wie sie immer wieder aneinandergeraten.

Das ist durchaus unterhaltsam, gerade auch weil Firth und Law in ihrer Gegensätzlichkeit komplett aufgehen. Wer zudem etwas für Literatur übrig hat, der wird seinen Spaß an den Szenen haben, wenn die beiden Männer um jedes Wort ringen und darüber diskutieren, wie sich Stimmungen und Gefühle am besten ausdrücken lassen. Zwar gibt Thomas immer ein wenig schnell klein bei, wenn die Vaterfigur Max etwas sagt, zumindest aber gibt Genius viele Anlässe, um über das Verhältnis zwischen Lektor und Autor nachzudenken. Darüber, wem wir ein Buch am Ende mehr zu verdanken haben. Schade nur, dass dieser grundsätzliche Gedanke zwar vereinzelt mal durchschimmert, zum Ende hin selbst der bis dato so unerschütterliche Max Selbstzweifel bekommt, das Ganze aber immer nur ein beiläufiges Element bleibt.

Stattdessen versteift sich der Film auf den Kontrast zwischen den beiden Männern, bringt Szene um Szene, das zu verdeutlichen, ohne aber noch etwas Entscheidendes hinzuzufügen. Hinzu kommt, dass Grandage keine größeren Experimente eingehen will, beispielsweise alles streng chronologisch erzählt, nichts an der Inszenierung oder auch den bewusst blassen Farben verändert. Das Ergebnis: In der zweiten Hälfte beginnt Genius, auf der Stelle zu treten und trotz seiner für ein Biopic recht kurzen Laufzeit von rund hundert Minuten diverse Längen aufzuweisen. Für kleine Farbtupfer sorgen dann nur noch die Auftritte von Hemingway und Fitzgerald, vor allem aber von Thomas’ vernachlässigter Freundin Aline, die zunehmend an ihrer Situation zerbricht und eine Menge Drama hineinbringt. Diese Szenen kommen vielleicht für den einen oder anderen etwas unvermittelt, da sie – wie Louise auch – tendenziell nur eine Randfigur ist. Dafür erbebt der Film an diesen Stellen vor lauter Leben und Emotion, etwas, das ihm vorher zu weiten Strecken doch ziemlich abgeht.



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„Genius“ beleuchtet das Verhältnis eines Lektoren zu einem Autor näher, was aufgrund der grundverschiedenen Charaktere und der in den Rollen aufgehenden Schauspielern nicht nur für Literaten sehr unterhaltsam ist. Später nimmt der Spaß jedoch wieder ab, da das Biopic doch zunehmend auf der Stelle tritt und dem Grundthema nichts mehr hinzuzufügen hat.
6
von 10