(„Made in France“ directed by Nicolas Boukhrief, 2015)
Mehrere Wochen war der investigative Journalist Sam (Malik Zidi) Mitglied einer islamistischen Vereinigung in einem Pariser Vorort, um über die Vorkommnisse berichten zu können. Vor allem die Jugendlichen Christophe (François Civil), Driss (Nassim Si Ahmed) und Sidi (Ahmed Dramé) sind dabei für ihn von größerem Interesse, wollen sie doch alle drei für den Dschihad ins Ausland gehen. Doch als ihr Anführer Hassan (Dimitri Storoge) aus dem Trainingslager in Pakistan zurückkehrt, ändert sich der Plan. Anstatt den Krieg nach außen zu tragen, wollen die vier eine eigene terroristische Zelle in Frankreich aufzubauen, um eine Reihe von Attentaten vorzubereiten. Für Sam ist das der Punkt, um auszusteigen. Oder wäre es, würde ihm der Geheimdienst nicht dazwischenfunken und ihn dazu zwingen, seine Undercover-Aktivitäten fortzusetzen, um so an die Hintermänner zu gelangen. Für Sam beginnt damit ein Alptraum, muss er doch an den Aktionen teilnehmen und sie gleichzeitig verhindern, ohne dass die anderen Verdacht schöpfen.
Es gibt Filme, die eine größere Bekanntheit erreichen, obwohl sie niemand gesehen hat. Oder auch genau weil sie niemand gesehen hat. Siehe Made in France. Eigentlich hätte die französische Produktion über einen Journalisten, der sich in eine Terroristenzelle einschleust, in ihrer Heimat Anfang 2015 in die Kinos kommen sollen – was nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo nicht mehr möglich war. Der zweite Termin im Herbst wiederum – die Kinoplakate waren bereits gedruckt – fiel den Pariser Attentaten im November zum Opfer. Einen Film über geplante Anschläge in dieser Situation herausbringen? Völlig undenkbar! Als Folge wurde das höchst sensible Thema zunächst einmal als Video-on-Demand veröffentlicht, anschließend auch auf Disc.
In Deutschland versuchte man einen Kinostart erst gar nicht, nur Besucher des Filmfests München durften sich darüber freuen, Made in France auf großer Leinwand zu sehen. Wobei das mit der Freude hier so eine Sache ist, denn angenehm ist es natürlich nicht, was Regisseur und Drehbuchautor Nicolas Boukhrief uns da zu erzählen hat. Im Gegenteil. Schon der Einstieg, wenn wir von einem im Untergrund agierenden Hassprediger verbal durchlöchert werden, lässt einen etwas unruhig hin und her rutschen. Und auch in den folgenden anderthalb Stunden kommt da einiges auf den Zuschauer zu: Wie sich die Mitglieder der Zelle unbemerkt in den Alltag einschleichen, von nichtsahnenden Eltern profitieren oder im Einkaufszentrum seelenruhig Schuhe verkaufen, während sie zeitgleich Bombenattentate planen, das wollte man dann doch nicht so genau wissen.
In anderer Hinsicht ist Made in France jedoch leider weniger wirkungsvoll: Die Chance, hier auch mal Terroristen zu Wort kommen zu lassen und zu verraten, was sie zu ihren Wahnsinnstaten antreibt, die wurde nur teilweise genutzt. Hassan beispielsweise, von dem wissen wir nur, dass er verändert aus Pakistan zurück kam. Aber warum? Was ist dort geschehen? Weshalb der große Hass auf die westliche Welt? Und auch über die anderen hätte man dann doch ganz gern ein bisschen mehr erfahren. Anstatt sich mit der Gedankenwelt der ambitionierten Attentäter inhaltlich auseinanderzusetzen, macht sich Boukhrief zuweilen sogar recht unverhohlen über seine Anti-Protagonisten und deren krude Weltsicht lustig.
Schade ist das schon, weil Made in France letztendlich noch mehr hätte sein können, als es am Ende ist. Aber auch wenn die Charaktere etwas grob modelliert sind, nicht jede Wendung ganz geschickt ist, teils recht vorhersehbar und es der Film zum Ende hin ein bisschen sehr eilig hat, es ist schon ein fesselnder und zugleich beklemmender Thriller, den die Grande Nation da auf uns loslässt. Begleitet von einer unterkühlten Synthiemusik finden Genrefans hier einen Beitrag, der es einem eiskalt den Rücken hinunterlaufen lässt und einen irgendwie dazu ermuntert, die Wohnung nicht mehr verlassen zu wollen. Denn wenn Boukhrief eines gelingt, dann zu zeigen, wie der Terror direkt neben uns entstehen kann, ohne dass wir irgendetwas davon mitbekommen.
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