(„Beyond the Gates“ directed by Jackson Stewart, 2016)
Dass ihr Vater nicht unbedingt der zuverlässigste ist, sich auch schon mal länger nicht blicken lässt, das sind die Brüder Gordon (Graham Skipper) und John (Chase Williamson) gewohnt. Sieben Monate nach dem plötzlichen Verschwinden jedoch, müssen sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass er wohl nie wieder auftauchen wird. Und da irgendjemand die alte Videothek entrümpeln muss, kommen die zwei nach Jahren der Entfremdung doch noch zusammen, um sich gemeinsam der Vergangenheit zu stellen. Tatsächlich kommen sich die beiden wieder etwas näher, unterstützt auch durch Gordons Freundin Margot (Brea Grant). Noch mehr schweißt sie jedoch ein seltsames VHS-Brettspiel namens „Beyond the Gates“ zusammen, welches die beiden im Büro der Videothek finden und offensichtlich kürzlich noch jemand benutzt hat.
Brettspiele gelten in Zeiten der digitalen Mobiltelefonunterhaltung ja als etwas altmodisch, VHS-Kassetten als kuriose Museumsstücke, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Wie schlimm muss es also erst sein, beides miteinander zu kombinieren? Regisseur und Co-Autor Jackson Stewart nimmt uns mit zurück in eine Ära in den 80ern, als es das tatsächlich noch gegeben hat, man Würfelmechanismen mit Videosequenzen zu einem Spiel zusammenbrachte. Auch sonst lässt der Amerikaner keine Gelegenheit aus, an das nostalgische Herz seines Publikums zu appellieren: Ob es nun der Retro-Synthie-Soundtrack ist, die Hunderte von Videokassetten im Laden des Vaters, unter denen man beispielsweise Nosferatu und Mit Schirm, Charme und Melone entdecken kann, oder die kunstvoll-grotesken Poster, die an der Wand hängen, da denkt offensichtlich jemand sehr gern an seine Kindheit zurück.
Wie viel Spaß man an Beyond the Gates hat, hängt dann auch im großen Maße davon ab, ob man diese Zeit noch selbst erlebt hat und etwas mit den vielen Anspielungen und Verweisen anfangen kann. Denn eines muss man Stewart lassen: Er geht mit viel Liebe zum Detail an die Arbeit, von der Optik über die Musik bis zum Inhalt. Noch dazu kann er sich auf ein Ensemble verlassen, welches die Sympathiewerte des Films weit nach oben treibt. Schon die beiden ungleichen und offensichtlich vom Wiedersehen peinlich berührten Brüder bei ihren ungelenken Annäherungen und Erinnerungstrips zu beobachten, ist unglaublich spaßig und gleichzeitig nachvollziehbar. Absolut grandios sogar ist der Auftritt der ehemaligen Scream Queen Barbara Crampton (Re-Animator), die in den letzten Jahren schon in You’re Next und We Are Still Here gezeigt hat, dass sie sich noch immer dem Horrorgenre verbunden fühlt. Hier nun „spielt“ sie die Moderatorin des besagten „Beyond the Gates“ und hat sichtlich Freude an ihrer diabolischen Over-the-top-Performance.
Leider jedoch – und das ist ein sehr großes „leider“ – ist das Brettspiel an sich eine herbe Enttäuschung. Nicht nur, dass das Trio über weite Strecken nicht verstehen will, dass es hier mitspielen muss, um das Verschwinden des Vaters voranzutreiben, selbst dann, wenn es die Theorie längst gehabt hat. Irgendwie hat das Spiel an sich auch keinen echten Bezug zum Rest des Films. Hier gibt es keine erkennbaren Regeln, keinen Ablauf, es werden mal Würfel geworfen, zwischendurch ein paar Karten aufgedeckt, ohne dass „Beyond the Gates“ jemals zu einem echten Spiel würde. Nun muss gerade in diesem Genre eine Handlung nicht immer nachvollziehbar sein. Hier ist das aber schon recht frustrierend, da wurde sehr viel Potenzial verschenkt, das Titelobjekt in das Geschehen zu integrieren. Ohnehin leidet die Horrorkomödie darunter, nicht wirklich ausgegoren zu sein, an manchen Stellen zu sehr auf der Stelle zu treten, an anderen es zu eilig zu haben, gewisse Ideen nicht richtig auszuarbeiten. Sehenswert ist der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2016 ohne jeden Zweifel, vor allem für die Liebhaber vergangener Horrorzeiten, charmant sowieso. Aber da wäre angesichts der diversen tollen Bestandteile am Ende mehr drin gewesen.
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