(„Eye in the Sky“ directed by Gavin Hood, 2015)
Jahrelang war Colonel Katherine Powell (Helen Mirren) den Terroristen auf der Spur, die in Afrika für eine ganze Reihe von Selbstmordanschlägen verantwortlich waren. Aber endlich, so scheint es, ist ihre Stunde gekommen, wurden doch gleich drei der meistgesuchten Verbrecher in einer Hütte in Kenia entdeckt. Und auch Steve (Aaron Paul) und Partnerin Carrie (Phoebe Fox), welche von einem Bunker in den USA aus die Waffen fernsteuern, sind einsatzbereit. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Eine persönliche Festnahme durch den lokalen Agenten Jama (Barkhad Abdi) ist nicht möglich, außerdem bereiten die islamistischen Fanatiker gerade einen Anschlag vor, der viele Menschen das Leben kosten kann. Es bleibt nur eine Möglichkeit: Die Terroristen per Drohne ausschalten, auch auf Gefahr hin, viele Unschuldige dabei zu töten. Während Powell und Lieutenant General Frank Benson (Alan Rickman) bereit sind, dieses Risiko einzugehen, sind die Berater aus Politik und Generalstaatsanwaltschaft vorsichtig, befürchten sie doch die Folgen eines solchen Angriffs. Während die Verantwortung immer weiter nach oben geschoben wird, rennt Powell die Zeit davon, denn die Vorbereitungen auf den Anschlag laufen auf Hochtouren.
Darf man unschuldige Leben wissentlich riskieren, um andere zu retten? Das ist eine Frage, die zum Glück nur die wenigsten von uns jemals wirklich beantworten müssen. Schon der Versuch, den Wert mehrerer Menschenleben gegeneinander aufzuwiegen, führt einen in gefährliche Gewässer, aus denen man anschließend nur schwer noch entkommt. Entsprechend schwer tun sich die vielen Entscheidungsträger in Eye in the Sky auch, die Situation zu beurteilen. Denn in dem gebotenen Szenario kann es eigentlich nur Verlierer geben, eine Auswahl zwischen einem schlimmen und einem noch schlimmeren Ausgang. Und wer würde dafür schon freiwillig die Verantwortung übernehmen wollen?
Es ist dann auch fast schon komisch, wie hier die Entscheidung einer heißen Kartoffel gleich hin und hergeworfen wird. Denn während die Militärs sich längst damit abgefunden haben, dass Unschuldige geopfert werden (müssen), können sich die anderen zu keiner Antwort durchringen – egal ob bejahend oder verneinend. Wie hier um Zahlen gefeilscht wird, jede kleinste Veränderung den Entscheidungsprozess wieder zum Anfang zurückführt, das erinnert einen an die eigenen Erfahrungen mit absurden Bürokratien. Nur dass es hier eben nicht um einen neuen Ausweis oder Steuerbescheide geht, sondern darum, wer leben darf und wer nicht. Und spätestens wenn Kriterien wie die öffentliche Meinung die moralische Frage zu überdecken drohen, bleibt einem dann doch das Lachen im Halse stecken.
Dass Eye in the Sky zuweilen fernab der Realität wirkt, hängt aber nicht nur damit zusammen, dass von einer lauschigen Loungesesseln aus der Abwurf von Bomben diskutiert wird, sondern auch mit den Figuren und dem Inhalt an sich. So realistisch das Szenario auch sein mag, alles und jeder ist hier so streng einer Funktion unterworfen, dass der Film trotz der hervorragenden Darsteller weniger eine Geschichte mit tatsächlichen Menschen ist, sondern vielmehr einer Was-wäre-wenn-Überlegung aus dem Ethik-Seminar gleicht. Ähnlich zu The Philosophers, nur eben im Kriegsbereich. Das mag man etwas unterkühlt oder kopflastig nennen, vielleicht sogar etwas zynisch. Ein kleines Mädchen, das zufällig am Einsatzort auftaucht und damit alles wieder über den Haufen wirft? In einer besonders entlarvenden Szene fragt Benson dann auch, ob die Skrupel genauso hoch wären, wenn es sich nicht um ein süßes Mädchen handeln würde.
Doch trotz des leicht konstruiert schmeckenden Szenarios, wirkungsvoll ist das Ergebnis ohne jeden Zweifel. Ähnlich zu A War kürzlich wird der Zuschauer dazu aufgefordert, über diese Grundsatzfragen nachzudenken und selbst Stellung zu beziehen, einfach nur wegducken ist nicht. Wie weit dürfen wir beim Kampf um unsere Sicherheit gehen? Welche Opfer sind wir bereit zu tragen? Aber selbst ohne diese moralische Komponente ist Eye in the Sky ein ungemein spannender Thriller, dem der Mangel an Action oder Schauplätzen – ein Großteil des Filmes besteht aus sitzenden Diskussionen in abgeschlossenen Räumen – nichts anhaben kann. Hier darf man von Anfang an beim Anti-Terror-Kampf mitzittern, denn dabei bleibt völlig offen, welche Entscheidung am Ende getroffen wird. Und auch, welche Konsequenzen sich hieraus ergeben.
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