(„Freeheld“ directed by Peter Sollett, 2015)
Ganz wohl ist Laurel Hesters (Julianne Moore) ja nicht bei dem Gedanken, mit der deutlich jüngeren Stacie Andree (Ellen Page) eine Beziehung einzugehen. An einer mangelnden Zuneigung liegt das nicht, eher an ihrem Job: Als Frau ist sie es gewohnt, bei der Polizei immer doppelt so hart arbeiten zu müssen wie ihre männlichen Kollegen, um Anerkennung zu bekommen. Und das will sie nicht riskieren, indem sie sich öffentlich als Lesbe zu erkennen gibt. Vielleicht wäre das Versteckspiel auch auf Dauer gut gegangen, hätte man bei ihr nicht Krebs im Endstadium festgestellt. Denn plötzlich muss sie darum kämpfen, dass ihre Partnerin die Pension erhält, für die Laurel ihr Leben lang gearbeitet hat – was im konservativen Ocean County aber auf nur wenig Gegenliebe stößt.
Freeheld, das ist eigentlich zwei Filme auf einmal, wenn nicht gar zweieinhalb. Da wäre zum einen die Kennenlernphase des Paares, welche von Laurels Unsicherheit geprägt ist, ihrer Angst, die Gefühle auch öffentlich zu machen. Kurzzeitig wird auch der Umgang mit Homosexualität an der Polizei thematisiert, denn nicht nur Laurel, sondern auch ihr junger Kollege Todd (Luke Grimes) hält seine gleichgeschlechtlichen Neigungen unter Verschluss, aus Angst vor Konsequenzen. Doch am wichtigsten, daran lässt das Drama keinen Zweifel, ist der Kampf um die Gleichberechtigung Homosexueller – und das ist ein Thema, welches Drehbuchautor Ron Nyswaner 1994 immerhin eine Oscarnominierung einbrachte.
Von solchen Ehren ist Freeheld weit entfernt, die Resonanz der Kritiker war doch recht zurückhaltend. An der Geschichte selbst liegt das jedoch weniger, denn auch wenn seit den wahren Geschehnissen, welche dem Film zugrunde liegen, inzwischen zehn Jahre vergangen sind und sich in der Gesetzgebung einiges getan hat, von einer tatsächlichen Gleichberechtigung kann man auch 2016 wohl kaum sprechen. Recht unverhohlen appelliert der Film dann auch an das Gerechtigkeitsgefühl der Zuschauer, an deren Fähigkeit, sich zu empören. Denn empörend ist hier einiges, von selbstsüchtigen Kollegen über Politiker, die den Finanzhaushalt und die Chance auf Wiederwahl über Einzelschicksale stellen, bis hin zu absurden Regelungen.
Problematisch ist hierbei, dass das durchaus ehrenwerte Ziel alles andere überschattet, die gewünschte Empörung notfalls in die Zuschauer hineingeprügelt werden soll. Subtil ist an Freeheld dann auch nur wenig, die Figuren selbst haben eine Funktion, jedoch wenig Charakter. Am ehesten würde man noch dem vom Schicksal gebeutelten Paar so etwas wie Tiefe zusprechen wollen, wobei diese vor allem auf den insgesamt auch interessanteren Anfang des Films zurückgeht, wenn der Film sich an leiseren Tönen versucht. Über Laurels Kollegen Dane (Michael Shannon) erfährt man hingegen recht wenig, Steve Carell als krakeelender und schillernder Homosexuellen-Aktivist Steven Goldstein kommt über eine Karikatur nicht hinaus. Gleiches gilt für die bigotten und selbstbezogenen Gegenspieler innerhalb der Polizei und der Politik.
Und auch vom Ablauf her scheut sich Freeheld davor, vom Plakativen abzuweichen. Größere Überraschungen gibt es nicht, dafür eine Überzahl an Klischees und bekannter Szenen, zum Schluss auch eine dicke Portion Pathos. Das bleibt sicher nicht ohne Wirkung, stimmt einen wütend oder traurig, je nach Situation. Aber es ist so hoffnungslos berechnend und schamlos manipulierend, dass man sich dabei über sich selbst ärgert. So sehr sich beispielsweise Stacie und Laurel später darüber aufregen, dass Steven ihre Geschichte für seine Zwecke benutzt, so sehr sind in dem Film die realen Personen verlorengegangen: Freeheld ist weniger ein Film über zwei individuelle Menschen und ihren Kampf für Gleichberechtigung, sondern über eine Etappe in der Homosexuellenbewegung. Das ist als Thema sicher wichtig, lässt aber trotz der hochkarätigen Schauspielprominenz ausgerechnet diese Menschlichkeit vermissen, die für Stacie und Laurel so vehement eingefordert wird.
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