(„LenaLove“ directed by Florian Gaag, 2016)
Im Leben der 16-jährigen Lena (Emilia Schüle) klappt schon länger nichts mehr so wirklich. Ihre Eltern sind getrennt, die Mutter hat ein Verhältnis mit dem Vater ihrer früheren besten Freundin Nicole (Kyra Sophia Kahre). Und die wiederum verbringt ihre Zeit lieber mit der intriganten Stella (Sina Tkotsch) anstatt mit Lena. Einziger Lichtblick in dieser Misere ist Tim (Jannik Schümann), der neue Mitschüler, der ebenso wie sie künstlerisch interessiert ist und dem sie tatsächlich mit der Zeit näherkommt. Doch dann macht sich ausgerechnet Nicole an ihn heran, was für Lena der Anlass ist, im Internet wie im wahren Leben einiges auf den Kopf zu stellen – womit sie den Zorn der beiden anderen aber endgültig auf sich zieht.
Was lange währt, wird endlich gut. Nicht nur, dass LenaLove eigentlich schon vor vielen Monaten hätte in die Kinos kommen sollen und so oft verschoben wurde, dass man zwischenzeitlich fast schon die Hoffnung aufgegeben hatte, ihn überhaupt noch mal zu Gesicht zu bekommen. Es hat allgemein lang gedauert, viel zu lang, bis man wieder etwas von Florian Gaag sehen durfte. Neun Jahre ist sein Kinodebüt Wholetrain inzwischen her, in dem er in das Leben einer Gruppe jugendlicher Graffitikünstler eintauchte und einen impressionistisch-authentischen Blick auf eine ganz andere Szene gab.
Dieses Mal hat er sich zwar einem sehr viel universelleren Thema gewidmet, verbindet dieses aber erneut mit viel Gespür für die Welt der Jugendlichen. Und Graffiti. Es ist aber nicht nur der Inhalt an sich, der LenaLove noch einmal spürbar zugänglicher macht – Mobbing unter Jugendlichen hat durch das für jeden zugängliche, dabei anonyme Internet deutlich mehr Ausdrucksmöglichkeiten bekommen –, sondern auch die Art und Weise, wie sich Gaag diesem nähert. Blieb man bei Wholetrain ein reiner Beobachter, gelingt es hier besser, auch dank einer in ihrer Rolle aufgehenden Emilia Schüle, einen Einblick in das Seelenleben von Lena zu geben. Mit ihr auch die Qual durchzumachen, die von bösartigen Mitschülern, aber auch der eigenen Unsicherheit ausgehen, die gerade in diesem Alter so ziemlich jeden einmal befällt.
Dass dabei nicht jede Handlung unbedingt nachvollziehbar ist, wir beispielsweise nie erfahren, weshalb es Stella so sehr auf Lena abgesehen hat, lässt sich leicht verschmerzen. LenaLove versucht hier nicht zu erklären oder auch das Internet als solches zu verteufeln, sondern bleibt sich hier als reiner Beschreiber der Ereignisse treu. Rationalität wäre aber vielleicht auch zu viel erwartet, wenn von einem Lebensabschnitt die Rede ist, in denen die Gefühle Purzelbäume schlagen, man oft noch nicht mal von sich selbst sagen kann, warum man tut, was man tut. Zumal Gaag dafür gesorgt hat, dass die Erwachsenen hier alles andere als Vorbilder sind. Ob nun Lenas Eltern oder die von Nicole, eigentlich hat hier niemand sein Leben so wirklich im Griff, Halt wird in geheimen Affären gesucht, in albernen Tanzwettbewerben oder in absoluter Kontrolle der Mitmenschen.
LenaLove ist aber nicht nur ein Jugenddrama, das von den Schwierigkeiten auf dem Weg ins Erwachsenenalter handelt, sondern nimmt gerade in der zweiten Hälfte auch Thrillerqualitäten an. Das liegt zum einen daran, dass sowohl Lenas Ausbruchsversuche wie auch das Mobbing der anderen immer weiter eskalieren und so die Spannung hochhalten, wie weit das alles noch führen will. Zum anderen, dass Gaag hierbei auch wieder sein Gespür für Bilder und Musik zugutekommt, die schon Wholetrain auszeichneten. Man mag es übertrieben finden, wie der Film plötzlich von Elektrobeats getrieben die Alpträume in Lenas Kopf in die Realität einbrechen lässt, aber es hinterlässt doch großen Eindruck, so wie LenaLove einen allgemein ganz glücklich stimmt, nicht mehr in diesem Alter zu sein. Und darüber, dass der deutsche Filmemacher sich mal wieder zu Wort gemeldet hat. Hoffentlich wird es zu Kinofilm drei dann nicht wieder neun Jahre dauern, dafür hat Gaag dann doch zu viel zu erzählen.
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