Shelley
© Indie Sales

(„Shelley“ directed by Ali Abbasi, 2016)

Shelley
„Shelley“ läuft im Rahmen des 30. Fantasy Filmfests vom 17. August bis 18. September 2016

Es ist leicht verdientes Geld, so erscheint es der jungen Rumänin Elena (Cosmina Stratan) zumindest. Für das Ehepaar Louise (Ellen Dorrit Petersen) und Kasper (Peter Christoffersen) die Haushälterin spielen, das sollte genügend einbringen, um für sich und ihren Sohn endlich ein Eigenheim kaufen zu können. Schön, ihre gebrechliche Arbeitgeberin ist ein wenig seltsam. Und dass die beiden in einem Haus fernab jeglicher Zivilisation leben, dass es dort nicht einmal Strom gibt, das entspricht auch nicht gerade ihren Idealvorstellungen. Dafür ist die Natur traumhaft, und auch dem Paar kommt sie mit der Zeit näher. Sehr viel näher sogar: Elena bietet sich an, als Leihmutter für die mittlerweile unfruchtbar gewordene Louise einzubringen, für eine entsprechende Entlohnung natürlich. Damit fängt jedoch erst ihr eigener Alptraum an, denn während der Schwangerschaft läuft vieles nicht so wie gedacht.

So eine Schwangerschaft, das muss eine furchtbar schreckliche Erfahrung sein. Diesen Eindruck konnte man zumindest als Besucher des Fantasy Filmfests 2016 gewinnen, wo mit Antibirth und Shelley gleich zwei Filme junge Schwangere auf einen Höllentrip schickten. Doch trotz der thematischen Ähnlichkeit, unterschiedlicher hätten die beiden Filme kaum sein können. Während die amerikanische Variante sich gern dem Grotesken hingibt und voll auf die krakeelende White-Trash-Protagonistin setzt, geht es bei den Skandinaviern doch deutlich ruhiger zu. Genauer ist es hier nicht einmal wirklich sicher, ob denn da wirklich etwas Teuflisches vor sich geht, der ursprünglich aus dem Iran stammende Regisseur und Co-Autor Ali Abbasi lässt sich an der Stelle kaum in die Karten schauen.

Das ist teilweise ein großes Plus des Films, gleichzeitig aber auch das größte Manko. Absolut wunderbar ist die Atmosphäre beispielsweise geworden. Ähnlich zum diesjährigen Festival-Kollegen Into the Forest wusste Abbasi die abgelegenen, dunklen Wälder Schwedens wunderbar zu nutzen, um eine nicht minder dunkle Stimmung zu erzeugen. Anders als dort spielt hier aber auch die Musik eine große Rolle. Sofern man sie denn überhaupt Musik nennen kann. Oft sind es nämlich nur Geräusche, leicht verfremdet, ein im Hintergrund anschwellender Brummton, der passend zum immer angespannteren Verhältnis der drei dafür sorgt, dass sich hier auch niemand wohl fühlt.

Daraus allein erwächst aber noch kein spannender Film, denn so wirkungsvoll die audiovisuellen kleinen Kunstwerke auch sind, irgendwann sollte diesem auch etwas folgen. Aber genau das passiert bei Shelley nicht. So wie hier, abgesehen vom plötzlich stark aufdrehenden Finale, allgemein wenig passiert. Das muss nicht zwangsweise ein Nachteil sein, Into the Forest war ja ebenfalls eher sparsam darin, die Handlung voranzutreiben oder Dinge erklären zu wollen. Hier wird man jedoch das Gefühl nicht los, dass die Zeit stehengeblieben ist, sich eigentlich gar nichts tut. Über viele Monate erstreckt sich die Geschichte, an Figuren oder Umgebung merkt man dies jedoch nicht. Lediglich der langsame geistige Zerfall und körperliche Zuwachs von Elena und die aufblühende Louise verraten, neben dem Blick auf die Uhr, dass hier tatsächlich ein fortlaufender Film gezeigt wird.

Natürlich: Wem es Spaß macht darüber zu spekulieren, ob die seltsame Stimmung nur im Kopf von Elena existiert oder tatsächlich etwas Böses vor sich geht da draußen, darf bis zum Ende dranbleiben. Und wer sich rein in einer Atmosphäre verlieren kann, ohne sich an Ereignisse klammern zu müssen, wird hier teilweise sehr verwöhnt. Der Rest dürfte sich bei dem sehr ruhigen Drama trotz der an und für sich sehr guten Schauspielleistungen aber eher langweilen. Die vielen Ahnungen und Stimmungsschwanken, sie gehen in der farblosen Umgebung der Einsiedler verloren.



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„Shelley“ ist eines dieser Beispiele, wie eine unglaublich starke Atmosphäre letzten Endes vergeudet werden kann, denn bis auf ominöse Andeutungen hat das Drama um eine düstere Schwangerschaft zu wenig zu bieten, um über eine ganze Spielfilmlänge zu fesseln.
5
von 10