(„Los Parecidos“ directed by Isaac Ezban, 2015)
Eigentlich hat Ulises (Gustavo Sanchez Parra) sehr viel besseres zu tun, als untätig am Busbahnhof mitten in Mexiko herumzusitzen. Schließlich ist seine Frau schon im Krankenhaus, lange wird es nicht mehr dauern bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes. Doch er ist ebenso wie Irene (Cassandra Ciangherotti) gestrandet, die auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann ist. Denn keiner kann mehr weg von der Station, ein strömender, giftiger Regen hat sämtliche Verbindungen in die Außenwelt unterbrochen. Während die beiden zusammen mit sechs weiteren Personen darauf warten, dass es endlich weitergeht, müssen sie feststellen, dass da etwas ganz Seltsames im ganzen Land vor sich geht. Und dass jemand von ihnen etwas damit zu tun haben scheint.
Von den zehn Filmen, welche dieses Jahr beim Fantasy Filmfest um den Fresh Blood Award wetteifern, ist The Similars vermutlich der kurioseste. So kurios, dass er selbst für das Sonderlichkeiten nicht unbedingt abgeneigte Publikum nur schwer vermittelbar ist. Ein abgelegener Busbahnhof, eine Gruppe Fremder, die gemeinsam eingeschlossen sind, eine ominöse Gefahr, das ist an und für sich wie gemacht für einen Horrorfilm oder auch einen Thriller. Und zumindest an manchen Stellen schaut sich der mexikanische Streifen auch wie einer, gerade wenn die Spannungen zwischen den unfreiwillig Zusammengepferchten stetig ansteigen, zwischendurch jeder den anderen im Verdacht hat, Schuld an den seltsamen Vorkommnissen zu sein – Agatha Christies „Und dann gab’s keines mehr“ lässt grüßen.
Und doch lässt Regisseur und Drehbuchautor Isaac Ezban, der hier seinen zweiten Spielfilm abliefert, von Anfang an keinen Zweifel daran offen, dass er hier ein bisschen was anderes vor hat. Ein Erzähler ist es, der uns in das Geschehen einführt, ein wenig Kontext liefert und dabei nicht ohne Humor kräftig die Figuren kommentiert. Die leicht verschwommenen Bilder wiederum sehen auch aufgrund der sehr reduzierten Farben so aus, als handelte es sich um Fundstücke aus einer vergessenen Kiste auf dem Dachboden. Ein Zufall ist das ebenso wenig wie die dramatische Musik, schließlich soll The Similars bewusst an die Science-Fiction-Werke der 50er und 60er erinnern, orientiert sich unter anderem an den unheimlichen Geschichten der Twilight Zone.
Unheimlich ist der mexikanische Film dann auch, dafür sorgt allein schon das kammerspielartige, leicht klaustrophobische Setting, das einem keine Rückzugsmöglichkeiten gibt. Und natürlich die Unwissenheit, was denn nun eigentlich gespielt wird, denn alle Verbindungen zur Außenwelt wie Telefon oder Auto sind unterbrochen, die bruchstückhaften Radiofetzen stellen einen eher vor neue Rätsel, als alte aufzuklären. The Similars ist gleichzeitig aber auch unheimlich komisch. Denn je stärker wir uns der Auflösung nähern, umso grotesker wird das Ganze. Einzelne belustigende Elemente hat es zuvor auch schon gegeben, gerade auch bei den Figuren und den befremdlichen Dialogen. Doch das wird später so sehr ausgebaut, dass man sich schon gar nicht mehr sicher sein kann: Ist das Horror? Ist das eine Komödie? Was zum Teufel passiert hier eigentlich?
So übertrieben die Geschichte auch wird, so rätselhaft sie über das Ende hinaus bleibt, so seltsam nachdenklich stimmend ist sie aber auch, konfrontiert einen mit einem beängstigenden Gedankenkonstrukt, das weit über den Film hinaus Bestand hat. Weit über Mexiko hinaus. Weit über die dargestellte Zeit hinaus. Auch wenn Ezban bei den Awards leer ausgehen wollte, darf man ihm daher dankbar sein für diesen Genresonderling, der nirgends wirklich hingehört. Trotz größerer Längen im Mittelteil, wenn manche Szenen und Gags sich dann doch recht stark wiederholen und The Similars zu einem unnötigen Geduldsspiel wird, vergessen wird man die Ereignisse in jener Nacht am Bahnhof nicht. Und das ist mehr, als man von so manchem anderen Festivalbeitrag behaupten kann.
(Anzeige)