We Go On

(„We Go On“ directed by Jesse Holland and Andy Mitton, 2016)

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„We Go On“ läuft im Rahmen des 30. Fantasy Filmfests vom 17. August bis 18. September 2016

Ob Autos, freie Plätze oder Höhe, es gibt so gut wie nichts, vor dem Miles (Clark Freeman) keine Todesangst hat. Und irgendwie wird die Liste an ungefährlichen DIngen täglich weniger. Dass es so nicht mehr weitergehen kann, ist auch ihm klar, zu sehr hat seine Lebensqualität bereits gelitten. Und so fasst er einen ungewöhnlichen Beschluss: Er bietet 30.000 Dollar für denjenigen, der ihm einen unwiderlegbaren Beweis für ein Leben nach dem Tod bietet. Denn dann braucht er keine Angst mehr davor zu haben, so die Idee. Seine Mutter Charlotte (Annette O’Toole) hat hingegen eine ganz andere Befürchtung, nämlich die, dass jemand die Gutgläubigkeit ihres nervlich angekratzten Sohnes ausnutzen könnte, und besteht deshalb darauf, ihn bei den vermeintlichen Geisterexpeditionen zu begleiten. An Rückmeldungen mangelt es schließlich nicht, Tausende haben die unglaublichsten Geschichten zu erzählen – darunter auch der mysteriöse Anrufer Nelson (Jay Dunn).

Es ist das Schicksal von Festivalfilmen, dass sie sich gegen eine große Konkurrenz durchzusetzen haben, der eine oder andere Beitrag trotz unbestreitbarer Qualitäten untergeht. Beispiel Fantasy Filmfest: 2016 waren gleich 52 Filme vertreten, die von komisch bis hart so ziemlich jede Schattierung durchgehen, welche das Genrekino hergibt. Je lauter ein Film da auf sich aufmerksam macht, je größer die beteiligten Namen, umso größer die Erfolgsaussichten. Da war das recht zurückhaltende We Go On beim Kampf um Aufmerksamkeit von vornherein eher chancenlos. Wo Horror neuerdings zum Synonym für Jump Scares geworden ist, man selbst bei den hoch profitablen Low-Budget-Produktionen kaum Risiken eingehen mag, wagt das Regie- und Drehbuchduo Jesse Holland und Andy Mitton hier einen ganz anderen, interessanten Weg. Und der geht über die Protagonisten.

Figuren in Horrorfilmen, da braucht man nicht erst etwas schönzureden, die sind üblicherweise ein bloßes Mittel zum Zweck. Manchmal bekommen sie ein kleines Sondermerkmal, eine Schwangerschaft zum Beispiel oder eine Drogenabhängigkeit. Ansonsten sind sie einfach dazu da, damit sich hinter ihrem Rücken etwas im Schatten bewegt oder sie blutig auseinandergenommen werden. Bei We Go On ist das anders, denn hier geht quasi die gesamte Geschichte aus den Personen hervor. Das macht sie nicht nur deutlich natürlicher, so weit man in diesem Genre von „natürlich“ sprechen kann, sondern vor allem menschlicher. Man begleitet Miles und seine Mutter nicht nur der Geister wegen auf der Jagd, sondern auch der beiden selbst wegen. Man drückt ihm die Daumen, dass er einen Ausweg aus seinem Horroralltag findet. Nicht weil man es muss, man vom Film durch die üblichen Manipulationen gezwungen wird. Sondern weil man es will.

Dass der Film so gut funktioniert, liegt zum einen an dem originellen Szenario und den eigenständigen Figuren. Hier ist es keine Gruppe austauschbarer Teenager, die mit dem Übernatürlichen in Berührung kommt, keine neuen Hausbesitzer, sondern ein zutiefst traumatisierter junger Mann, der Geister nicht austreiben, sondern sie seines Seelenfriedens willen finden will. Sie finden muss. Während man meistens angesichts der stupiden Reaktionen des Horrorpersonals nur noch mit den Augen rollt, sofern es überhaupt noch einen Eindruck hinterlässt, ist sowohl sein Handeln wie auch das seiner sich schützend vor ihn werfenden Mutter durch und durch glaubwürdig, am Ende auch bewegend. Die zweite Stärke ist aber auch die Besetzung, gerade das wundervolle Zusammenspiel von Freeman und O’Toole als Mutter-Sohn-Gespann, welches dem Horrorfilm eine gehörige Portion Wärme, gelegentlich auch etwas Witz mitgibt. Nettes Detail am Rande: Die junge Charlotte wird von Cassidy Freeman gespielt, der Schwester von Clark.

Ganz auf Spannung und Gruselmomente muss man jedoch nicht verzichten, das eine oder andere Mal darf man auch hier kräftig zusammenzucken, unterstützt von einem fabelhaften Soundteppich. Schön ist dabei zudem, dass diese Szenen dabei ebenfalls zuweilen etwas anders sind als bei der Konkurrenz, sie teilweise wirklich aus dem Nichts kommen. Es ist diese Mischung aus großer Menschlichkeit, wunderbaren Figuren und einer tatsächlich eigenständigen Geschichte, aus emotionalen und fesselnden Momenten, aus Humor, Spannung und Herz, welche We Go On auszeichnet und zu einem der schönsten Geisterfilme der letzten Jahre macht. Schade dass dem Streifen derzeit keine reguläre Deutschlandveröffentlichung vergönnt ist, aufgrund der sparsamen Schockmomente das Interesse der Verleihe wohl auch gering sein dürfte, das zu ändern. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich den Geheimtipp deshalb beim Fantasy Filmfest anschauen, und sei es nur, um den Willen zu belohnen, auch einmal etwas anders machen.



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Jump Scares? Die gibt es bei „We Go On“ zwar auch, sind aber vergleichsweise selten. Stattdessen konzentriert sich der etwas andere Geisterfilm auf sein originelles Szenario und die ungewöhnlichen Figuren, wird auch aufgrund des wunderbaren Zusammenspiels der beiden Hauptfiguren zu einem der schönsten Vertreter seiner Art, die man in den letzten Jahren sehen durfte.
8
von 10