Wicked City

(„Yōjū Toshi“ directed by Yoshiaki Kawajiri, 1987)

wicked-citySeit Jahrhunderten schon existieren die Welt der Menschen und die der Dämonen Seite an Seite, recht friedlich sogar, dank eines Paktes zwischen den beiden Rassen. Immer wieder muss dieser jedoch aufs Neue geschlossen werden, um so auch in Zukunft das Überleben der zwei Völker zu sichern. Aber nicht alle sind glücklich über diesen Zustand, gerade auf der Dämonenseite haben sich viele zu terroristischen Vereinigungen zusammengeschlossen, da es die Monster nicht akzeptieren wollen, gleichberechtigt zu den deutlich schwächeren Menschen zu sein. Und so obliegt dem Menschen Renzaburō Taki und der Dämonin Maki, über den erfolgreichen Abschluss eines neuen Paktes zu wachen und den 200-jährigen Giuseppi Mayart zu beschützen, der hierfür von essentieller Bedeutung ist.

Die späten 80er Jahre markierten einen Wandel in der Rezeption von Animes im Westen. Galten sie, so wie Zeichentrickfilme im Allgemeinen, oft als eine reine Angelegenheit für Kindheit, schwappten damals immer mehr japanische Werke zu uns rüber, die uns in düstere Welten mitnahmen, in denen brutale Szenen an der Tagesordnung waren. Bald 30 Jahre später hat man sich daran ganz gut gewöhnt, weshalb von wenigen Ausnahmen wie Akira die finsteren Zukunftsvisionen längst in Vergessenheit geraten sind. Eine davon lautete Wicked City und basierte auf einem Roman von Hideyuki Kikuchi (Wind of Amnesia, Vampire Hunter D). Und wer die Werke des japanischen Autors kennt, der weiß, dass dieser ganz gerne mal den Alptraum in unseren Alltag holt. So auch hier.

Mit einer bizarren Spinnenfrau beginnt der Anime, welche mit Taki in Gestalt einer Frau ins Bett steigt, um ihm bei wildem Sex dessen Körperflüssigkeiten zu stehen. Es ist nur eine kurze Sequenz, aber doch eine, die einem schon eine sehr gute Vorstellung davon gibt, was einen in den kommenden 80 Minuten erwartet. Groteske Monster, explizite Gewaltdarstellungen sowie viel Sex und nackte Haut. Letztere betrifft in erster Linie die weiblichen Figuren, die sich zum Großteil aus Dämoninnen und Prostituierten zusammensetzen, trotz übernatürlicher Kräfte gerne mal zur Damsel in Distress degradiert werden. Nein, Feministinnen sollten sich Wicked City besser nicht anschauen, dafür ist er – wie viele seiner Horrorkollegen aus der Zeit – einfach zu frauenfeindlich, eine reine Männerfantasie.

Aber auch der Rest kann sich, sofern er keine übermäßig nostalgischen Gefühle mit dieser speziellen Animeart der 80er Jahre verbindet, Wicked City eher sparen. Der Kultstatus, welche die Romanadaption seinerzeit genoss und bei alten Hasen vielleicht immer noch tut, er wird sich heutigen Zuschauern kaum erschließen. Die sehr geradlinige Geschichte versucht zwar durch mehrere Elemente den Sex-Gore-Teil etwas aufzupeppen, etwa durch bemüht-anstrengenden Humor – Mayart entpuppt sich als Lüstling, der immer nur grapschen will –, durch einen späten Twist sowie die obligatorische und sehr schwülstige Romanze zwischen den beiden Helden. Aber das ist nichts, wofür es sich lohnen würde, den Beitrag vom Fantasy Filmfest 1996 auftreiben zu wollen.

Wenn überhaupt, ist es die audio-visuelle Umsetzung, welche die Direct-to-Video-Produktion auszeichnet. Regisseur Yoshiaki Kawajiri (Ninja Scroll, Manie Manie) und sein Stammstudio Madhouse (Twilight of the Cockroaches, Boogiepop Phantom) arbeiten hier sehr viel mit Farben, lassen Szenen komplett in Blau erstrahlen, dann wieder in Rot. Unheimlich sind die oft von Synthiemusik unterlegten monochromen Bilder so oder so: Auch wenn wir uns hier eigentlich in der Welt der Menschen bewegen, fühlt es sich oft danach an, als hätten wir schon das Vorzimmer der Hölle erreicht. Der Detailreichtum der Szenen hält sich dabei eher zurück, dafür ist es meistens eh zu düster, technische Finesse wurde der Atmosphäre untergeordnet. Die Animationen sind hingegen beachtlich, was Wicked City zusammen mit den absonderlichen Designs der Monster und den teils ungewöhnlichen Perspektiven zumindest optisch sehenswert macht – wenn es der langweilige und stark vorhersehbare Inhalt schon nicht ist, der immer nur dazu da ist, dass eine weitere Figur auseinandergerissen wird oder es zu wildem Sex kommt.



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„Wicked City“ erregte seinerzeit durch explizite Gewalt- und Sexszenen eine Aufmerksamkeit, die heute kaum mehr gerechtfertigt wäre. Für die bizarren Monster und die düstere, oft monochrome Umsetzung kann man sich die Romanadaption eventuell heute noch anschauen, inhaltlich hat der Horroranime aber nichts Interessantes zu bieten.
4
von 10