Blair Witch
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Blair Witch

(„Blair Witch“ directed by Adam Wingard, 2016)

„Blair Witch“ läuft ab 6. Oktober im Kino

20 Jahre ist es bereits her, dass seine Schwester unter mysteriösen Umständen in den Wäldern nahe Burkittsville verschwunden ist. Da erfährt James (James Allen McCune) von einem Video, welches dort gefunden wurde und die vermisste Heather zeigen soll. Gemeinsam mit Peter (Brandon Scott), Ashley (Corbin Reid) und Lisa (Callie Hernandez) macht er sich daraufhin auf den Weg, die Spur zu verfolgen und vielleicht doch noch herauszufinden, was seinerzeit passiert ist. Ausgestattet mit der neuesten Technik und begleitet von zwei Einheimischen wollen sie sichergehen, dass sie in der weitläufigen Landschaft nicht verlorengehen. Doch es dauert nicht lange, bis sie unterwegs trotz aller Vorsicht erste mysteriöse Erfahrungen machen.

Das war schon eine richtig fette Katze, die Adam Wingard da im Rahmen der Comic Con 2016 in San Diego aus dem Sack ließ. Dass er gemeinsam mit seinem Stammautor Simon Barrett an einem Film namens The Woods arbeitete, das war bekannt. Dass es sich dabei aber um eine Fortsetzung des Kultfilms The Blair Witch Project handelte, das hatte wohl keiner kommen sehen. Und anders als bei vielen Spätfortsetzungen großer Streifen fiel die Reaktion hier dann sogar positiv, wenn nicht gar euphorisch aus. Und warum auch nicht? Schließlich hatte das Kreativteam zuletzt bei You’re Next und The Guest bewiesen, dass es beim Horror- und Thrillergenre tatsächlich Spaß versteht. Zudem hatte der Regisseur bei V/H/S und S-V/H/S schon erste Erfahrungen mit der Found-Footage-Masche gesammelt. Man durfte also gespannt sein, was er sich für den auch inhaltlich an den Klassiker anschließenden Nachfolger so alles einfallen lassen würde.

Nicht viel, lautet die ernüchternde Antwort. Es ist sogar erschreckend, wie sklavisch sich der Filmemacher da teilweise an die Vorlage hält und diese wenn überhaupt an mehreren Stellen nur verschlimmbessert. Positiv ist der Versuch, bei Blair Witch den Folkloreaspekt noch ein wenig zu verstärken. Durch die beiden Einheimischen, welche unseren Suchtrupp begleiten, bekommen wir ein wenig mehr Einblicke in die Geschichte, welcher hinter der grausigen Legende stecken soll. Überhaupt war die Entscheidung, noch zwei Außenstehende aufzunehmen, eine der besseren des Films, da auf diese Weise eine interessante Gruppendynamik entsteht. War es letztes Mal der durch das Verlaufen entstandene Druck, der zunehmend für Spannungen sorgen durfte, wird hier eigentlich von Anfang an gestritten.

Allgemein drückt Wingard deutlich mehr auf die Tube, als es seinerzeit Daniel Myrick und Eduardo Sánchez taten. Hier dauert es nicht lange, bis Sachen verloren gehen, die ersten Verletzungen sich einstellen und etwas – oder jemand? – seine Präsenz im Wald spürbar macht. Auch an einer anderen Stelle kommt Blair Witch den heutigen Sehgewohnheiten sehr entgegen: Jump Scares. Hatte es die in The Blair Witch Project eigentlich nicht gegeben, weil man damals auf eine sich nur langsam intensivierende Atmosphäre konzentrierte, genügt das im Jahr 2016 nicht mehr. Und so darf hier dann ständig einer der Expeditionsteilnehmer – ganz überraschend natürlich – im Camp plötzlich vor einem stehen und den Rest zu Tode erschrecken.

Da Blair Witch zudem an mehreren Stellen sehr viel expliziter wird, als er der berühmte Vorgänger einst war, ist klar, dass auf ein Merkmal völlig verzichtet werden sollte: In The Blair Witch Project wurde bis zuletzt vermieden, eine eindeutige Antwort auf die Ereignisse zu geben. Existiert die Hexe? Ist da etwas Böses in den Wäldern? Oder ist es die Einbildungskraft der Studenten, welche stressbedingt verrückt spielt? Wingard lässt hieran keinen Zweifel, alles Subtile wurde dem Plakativen geopfert. Ein bisschen überlässt er das Ausmalen noch dem Publikum, da dem Found-Footage-Konzept treu bleibend, die Kamera oft mehr damit beschäftigt ist, die Füße der Protagonisten zu zeigen anstatt das Drumherum. Das ist an manchen Stellen nach wie vor effektiv, zumal das technische Arsenal um eine Drohnenkamera sowie Walkie Talkies erweitert wurde. Nur fehlt es an Ideen, wie man beides auch über die erwartbaren Szenen hinaus anwenden könnte.

Dass ein Film heute nicht mehr den Novitäten-Bonus haben kann, den der Horrorklassiker damals genoss, ist klar. Und auch die ungemein glaubwürdige Stimmung lässt sich kaum wiederholen, dafür wurde das Prinzip des Konzepts einfach zu tot getreten. Gerade deshalb wäre es aber wichtig gewesen, auch mal etwas anderes zu probieren, als es die Hunderten von Found-Footage-Kopien der letzten Jahre gemacht haben. Das fehlt aber, zusammen mit dem Verlust des Rau-Authentischen wurde leider genau das zunichtegemacht, was den Film damals ausgezeichnet hatte. Übrig bleibt eine Ansammlung von müden Klischees, eine auferzwängte, letztlich unnötige Kamera-Geschichte und die üblichen nicht sehr praktisch veranlagten Jugendlichen, die im entscheidenden Moment immer das falsche tun. Das ist in der Summe okay, zieht zum Ende hin auch noch einmal an. Wäre Blair Witch aber nicht mit den großen Namen auf dem Plakat und hinter der Kamera verbunden, es würde sich wohl keiner ernsthaft hierfür interessieren.



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„Blair Witch“ hält sich eng an das Konzept des Horrorklassikers und anderer Found-Footage-Vertreter, ohne etwas Nennenswertes hinzuzuführen. Da zudem das Rau-Authentische verlorenging, man lieber auf Jump Scares als Vorstellungskraft setzte, ist die späte Fortsetzung eine, die letztendlich keiner wirklich gebraucht hat.
5
von 10