(„Der Nachtmahr“ directed by Akiz, 2016)
Tina (Carolyn Genzkow) ist 17 Jahre, hübsch, kommt aus gutem Haus und weiß auch sehr gut, wie man aus einer Nacht den folgenden Tag macht. Regelmäßig trifft sie sich mit ihren Freundinnen, um ausgiebig zu feiern, dabei vielleicht auch mal ein bisschen ihren Schwarm anzuhimmeln. Ein perfektes Leben. Bis zu jener Nacht, als sie während einer ihrer Clubtouren meint, etwas im Gebüsch gehört zu haben. Immer wieder begegnet sie diesem etwas, ein kleines, seltsames, hässliches etwas, das sich aus ihrem Kühlschrank bedient und dabei die Küche verwüstet. Doch niemand will der Jugendlichen glauben: Je stärker sie darauf beharrt, dass es diesen Eindringling gibt, umso stärker sind ihre Eltern und das sonstige Umfeld davon überzeugt, dass mit Tina etwas nicht stimmt.
Horrorfilme aus Deutschland, das ist gewöhnlich irgendwo zwischen bemitleidenswert und ärgerlich, da sie es weder schaffen, Vorbilder aus anderen Ländern gut zu kopieren, noch etwas Nennenswertes selbst zu erschaffen. Gewöhnlich ist jedoch ein Wort, das einem erst spät in den Sinn kommt bei dem Versuch, Der Nachtmahr zu beschreiben. Sofern man es findet. Sofern man überhaupt Worte findet. Aber vielleicht ist Sprache ohnehin nicht der richtige Zugang für einen Film, der seine Geschichte eben nicht auf diese Weise erzählt, sondern über Bilder und Musik.
Treibende Beats und Stroboskop-Gewitter sind im Leben von Tina so natürlich wie für andere das Sonnenlicht oder das Zwitschern der Morgenvögel. Mit einem Ausflug in einen Club beginnt der neue Film von Regisseur und Drehbuchautor Akiz, viele weitere werden folgen. Man hätte Der Nachtmahr allein zu einem Film über die Partykultur Jugendlicher machen können, speziell zu der in Technoschuppen, und damit etwas Sehenswertes erschaffen. Selbst wer sich nicht zu den Anhängern dieser Musikrichtung zählt: Es ist schon faszinierend, in welche Parallelwelt man hier entführt wird, hypnotisch und fesselnd. Und ein klein wenig beängstigend.
Aber es ist ein anderer Schrecken, den Akiz mit uns teilen möchten, ein Schrecken, von dem man gar nicht so genau sagen kann, wo er eigentlich herkommt. Zumindest an der Stelle ist Der Nachtmahr nah an der Horrorkonkurrenz: Er erklärt nichts. Das muss er auch nicht, denn interessant ist an dem Film nicht das groteske und hässliche Monster – auch wenn dieses liebevoll gestaltet wurde –, sondern wie die Menschen darauf reagieren. So ganz kann man bei Tina gar nicht sagen, welche Angst größer ist, die vor dem fremden Wesen oder der davor, von anderen für verrückt gehalten zu werden. Denn das würde bedeuten, nicht wie der Rest zu sein, nicht dazuzugehören.
Der deutsche Filmemacher verknüpft hierbei wie so mancher Kollege auch – etwa When Animals Dream oder Jamie Marks Is Dead – das Horrorgenre mit dem Jugenddrama, ist bizarrer Alptraum und Coming-of-Age-Alltag in einem. Letzterer ist nur stellenweise überzeugend, da es hier passend zum Technodauerfeuer keine leisen Töne gibt. Keine allmähliche Entwicklung. Stattdessen wird von Szene zu Szene gesprungen, mal ohne Neuerungen, dann wieder mit zu viel, sodass einem zwischendurch auch mal ein bisschen schwindlig werden darf. Aber es sind doch starke, einprägsame Bilder, die Akiz für die Verwandlung seiner Protagonistin in eine selbstbestimmte Persönlichkeit wählt. Eine, die sich eben mal nicht der Akzeptanz anderer oder auch deren Willkür unterwirft, sondern selbstbewusst auftritt. Das darf dann auch ein wenig hässlicher werden, so wie bei Wild auch schreckt hier niemand davor zurück, das Publikum zu überrennen und zu überfordern. Allein dafür muss man Der Nachtmahr dankbar sein, trotz diverser inhaltlicher Leerstellen wie etwa dem unnötig dämlichen Verhalten der Protagonistin ist dieser Genrezwitter eine Wohltat in einer von Konsens und Erfolgshörigkeit geprägten deutschen Filmlandschaft.
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