(„El abrazo de la serpiente“ directed by Ciro Guerra, 2015)
Als Karamakate (Nilbio Torres), der Schamane eines indigenen Stammes im Amazonasgebiet, 1909 den schwer erkrankten deutschen Forscher Theodor Koch Grünberg (Jan Bijvoet) auf dem Weg zu einer Heilpflanze begleiten soll, lässt er sich nur widerwillig darauf ein. Zu groß ist die Abneigung den Fremden gegenüber. 30 Jahre später scheinen sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet zu haben, vom Stamm ist kaum mehr einer übrig. Da taucht erneut ein Forscher auf, dieses Mal der Botaniker Evan (Brionne Davis) und bittet Karamakate (nun: Antonio Bolívar) um Hilfe bei der Suche nach der Heil-Pflanze. Dieses Mal ist der in die Jahre gekommene Eingeborene jedoch empfänglicher, will der Fremde doch die Pflanze dokumentieren und so für die Nachwelt bewahren. Gemeinsam machen sich die beiden auf eine Reise in den Dschungel und in die Vergangenheit.
Das satte Grün der Bäume und des Dickichts, die strahlenden Farben der wilden, oft gefährlichen Tiere, die umherstreifen – so wollen wir den Dschungel sehen. Die erste Überraschung von Der Schamane und die Schlange ist, dass der Film genau das nicht zeigt, sondern ausschließlich Schwarz-Weiß-Bilder verwendet. Verschwendung? Überflüssiges Gimmick? Nein, vielmehr passt es zu einem Werk, das tief in der Vergangenheit verwurzelt ist, eigene, seltsame Wege geht und dabei so manches Rätsel aufgibt. Denn rätselhaft ist diese Welt, in die beide Forscher da eintauchen, rätselhaft und wunderschön. So fremd, so anders, dass man gar nicht glauben mag, dass es sie hier auf diesem Planeten wirklich gibt oder zumindest mal gegeben haben soll.
Es sind aber nicht nur die Aufnahmen – so betörend sie auch sein mögen –, welche den kolumbianischen Oscarkandidaten auszeichnen. Der Schamane und die Schlange ist zeitgleich eine Abrechnung und Aufarbeitung der Vergangenheit, ein wütender Blick auf die Folgen der Kolonialisierung und ein wehmütiger darauf, was einst war. Mit Karamakate ein und denselben Protagonisten zweimal auf die Reise zu schicken, drei Jahrzehnte voneinander getrennt, war hierbei ein brillanter Einfall des Regisseurs und Co-Autors Ciro Guerra. Gerade weil die beiden Handlungsstränge parallel verlaufen – jeweils sucht ein Forscher eine vermeintliche Heilpflanze – gelingt es dem kolumbianischen Filmemacher, die Unterschiede fein auszuarbeiten.
Wobei man hier des Öfteren schon ganz genau hinschauen muss, um diese auch zu erkennen. Wirklich getrennt sind die beiden Stränge nicht, sollen es auch gar nicht sein. Vielmehr sind hier die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart fließend, auch die zwischen Fakten und Glauben. Sofern es solche Grenzen denn überhaupt gibt. Zugänglich ist das natürlich weniger, dass Der Schamane und die Schlange nicht unbedingt zum Blockbuster taugt, dürfte selbst Guerra klar gewesen sein. Dafür ist die Geschichte zu ruhig, teilweise auch zu verwirrend und seltsam. Aber sie belohnt die Geduldigen und Experimentierfreudigen mit einem Einblick in einen Ort und eine Zeit, die auch wenn sie so anders sind, vielleicht weil sie so anders sind, einem selbst im Hier und Jetzt ungemein viel mitzugeben haben.
Es ist der Umgang mit dem Fremden und mit dem Umfeld, das gleichermaßen thematisiert wird. Die Frage, wer wir sind. Immer wieder wechselt der Blick dann auch rüber zu den Eingeborenen und wir lernen die Welt mit etwas anderen Augen zu sehen. Wenn Guerra uns währenddessen aber erinnert, dass eben dieser Blick inzwischen verschwunden ist, so wie die ganzen Kulturen des südamerikanischen Kontinents, lässt das Der Schamane und die Schlange immer wieder in die Melancholie abgleiten, wenn nicht gar Wut. Und doch ist der Film keine reine Abrechnung mit den Erobern, sondern baut Brücken zwischen den Kulturen, zwischen den Zeitaltern und Lebenssichten. Und so ist dieses einerseits so unspektakuläre Abenteuerdrama gleichzeitig kraftvoll und versöhnlich, eine nicht ganz fassbare und doch eben auch wunderbare Erfahrung, die einen lehrt, mit großen Augen durch die Dschungel dieser Welt zu laufen, wo auch immer sie sein mögen.
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