(„Heidi“ directed by Jérôme Mouscadet, 2015)
Genug ist genug: Jahrelang hat sich Dete um die Tochter ihrer verstorbenen Schwester gekümmert, jetzt soll auch der Großvater mal seinen Pflichten nachkommen. Der Alm-Öhi, wie der mürrische alte Mann von allen genannt wird, ist von dem Gedanken jedoch wenig begeistert. Ein kleines Mädchen in den Schweizer Alpen, das passt nun wirklich nicht. Heidi stellt sich jedoch sehr schnell als aufgeweckt und fröhlich heraus, liebt die Natur über alles, scheint sich mit jedem einen Tier anzufreunden, welches da oben so lebt. Und auch Alm-Öhi erfreut sich bald an der Anwesenheit seiner Enkelin. Dann erreicht ihn jedoch ein Brief von Dete, die Heidi mit zu sich nach Frankfurt holen will, weil eine reiche Familie eine Spielgefährtin für die gehbehinderte Tochter Clara sucht.
Manche Geschichten kommen einfach nie aus der Mode, etwa die beiden vor über 130 Jahren veröffentlichten „Heidi“-Romane der Schweizer Autorin Johanna Spyri. So nahmen sich letztes Jahr gleich zwei Adaptionen des berühmten Kinderklassikers an: Während der Kinofilm Heidi sich betont altmodisch gab und auch durch seine wunderbare Ausstattung überzeugte, ist die Animationsserie hier das genaue Gegenstück. Wie auch bei Biene Maja und Wickie und die starken Männer kommen hier Computer zum Einsatz, die bekannte Geschichte hüllt sich in ein vermeintlich zeitgemäßes Gewand.
Leider entpuppen sich aber gerade diese CGI-Grafiken als größter Schwachpunkt der Serie. Die Geschichte um ein kleines Mädchen, das es in die Berge verschlägt, lebt in erster Linie von einer leicht verklärten Begegnung mit der Natur. Bei Heidi sieht diese aber nicht mehr nach Natur aus: Alle Figuren haben den aus dem Bereich berüchtigten Plastik-Look inklusive unbeweglicher Haare, die Hintergründe und Tiere sind so grob modelliert und schwach texturiert, dass einen nicht unbedingt die Lust packt, anschließend selbst auf die Alpen zu fahren. Besser sieht es wie so oft aus, wenn wir im zweiten Drittel Frankfurt erreichen. Zwar sind auch dort die Bilder nicht allzu detailliert, die von Natur aus eckig angelegten Städte kommen da der internationalen Koproduktion aber doch sehr entgegen. Natürlich darf man an eine europäische Fernsehserie nicht die gleichen Maßstäbe ansetzen wie an amerikanische Blockbuster-Animationsfilme fürs Kino. Ganz so steril wie hier muss das Ergebnis aber dann doch nicht aussehen, wie das zeitgleich produzierte Tashi beweist, das mit kleinen Kniffen dem Low-Budget-Computerlook einige schöne Seiten entlockt.
Inhaltlich schlägt sich Heidi glücklicherweise deutlich besser. Dass hier die gleichnamige Animeserie aus dem Jahr 1974 Pate stand, wird schon vor der ersten Folge deutlich, als das seinerzeit durch Gitti & Erika bekannt gemachte Titellied in einer neuen Version ertönt. Man versuchte aber auch bei der Geschichte, etwas eigene Wege zu gehen, was mal besser, mal schlechter funktioniert. Gestalteten sich die Berg-Passagen in der Zeichentrickversion ein wenig zäh, wurde hier einiges zum Zweck der Spannungssteigerung aufgemotzt. Hinzu kamen kleinere Abenteuer, die doch in einem deutlichen Kontrast zu den ansonsten eher betulichen Ereignissen stehen. Vor allem aber die Rivalität zwischen Heidi und Peter auf der einen Seite und den Dorfkindern auf der anderen macht Heidi zwar irgendwo beliebiger – da passiert nichts, was man aus Kinderfilmen nicht schon kennt –, aber doch auch kurzweiliger.
Was bei dieser Schwerpunktverschiebung auf der Strecke bleibt, ist neben der wachsenden Zuneigung des Großvaters für Heidi auch deren Liebe zur Natur. Und das ist insofern unglücklich, da Letztere in dem späteren Stadtmittelteil eine wichtige Rolle spielt. Oder spielen sollte. Aber auch der wurde in der Hinsicht umgeschrieben und konzentriert sich mehr auf die Figuren bzw. das Verhältnis untereinander. Dabei wurden sorgfältig die etwas dunkleren Passagen des Originals abgemildert, alles wurde hier ein bisschen netter gemacht. Fräulein Rottenmeier wird plötzlich zu einer wichtigen Person für die Mädchen, Tante Dete verhält sich weniger egoistisch, darf zudem noch in einer zugefügten Liebesgeschichte mitmachen. Dafür gehören die ausgeprägten Seelenleiden Heidis, die sehr mit der Trennung von den Bergen kämpft, der Vergangenheit an. Heutigen jungen Zuschauern darf da nicht ganz so viel zugemutet werden, so erscheint es zumindest.
Das macht Heidi gerade auch wegen der weniger weinerlich angelegten, insgesamt vernünftigeren Titelfigur zwar bekömmlicher, irgendwo aber auch austauschbarer. Der starke Kontrast zwischen der ursprünglichen Natur und den Einschränkungen der Stadt kommt so weniger gut rüber, was eigentlich mal das Herz der Romane war. Im direkten Vergleich sind Anime und Kinofilm deshalb dann doch die bessere Wahl. Lässt man diesen außen vor, hat aber auch die CGI-Serie einiges zu bieten, erzählt die Geschichte eines Mädchens, das lernen muss, sich in verschiedenen Welten zurechtzufinden, eine witzige bis spannende Abenteuer erlebt und dabei den Zuschauerinnen zu einer guten Freundin wird.
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