(„Jonathan“ directed by Piotr J. Lewandowski, 2016)
Nein, spannend ist das Leben von Jonathan (Jannis Niewöhner) sicher nicht. Während seine Freunde nach der Schule raus in die große Welt drängen, ist er selbst an den Hof seiner Familie gebunden, statt Horizonterweiterung sind Viecher und Knochenarbeit angesagt. Spannungen gibt es dafür mehr als genügend. Zu seinem sterbenskranken Vater Burghardt (André Hennicke) beispielsweise, der sich bis heute weigert, über den Tod seiner Frau zu sprechen. Als die junge und aufgeschlossene Pflegerin Anka (Julia Koschitz) in sein Leben tritt, scheint es endlich wieder aufwärts zu gehen. Gleichzeitig sorgt aber ein zweiter Neuankömmling für unschöne Turbulenzen: Ron (Thomas Sarbacher), ein alter Bekannter von Burghardt, der mehr über die Vergangenheit seines Vaters weiß, als es Jonathan lieb ist.
Es ist schon ein wenig seltsam, was für einen Film Piotr J. Lewandowski da abgeliefert hat. Jonathan heißt er, was darauf schließen lässt, dass der in Polen geborene Regisseur und Drehbuchautor vor allem über den jungen Mann sprechen will. Das tut er natürlich auch, denn um diesen herum entspinnt sich gleich ein ganzes Geflecht aus Themen und Problemen. Jonathan selbst bleibt dabei aber befremdlich außen vor. Es sind alle anderen, die über sein Leben bestimmen, für die Höhen und Tiefen verantwortlich sind: sein Vater, Anka, der mysteriöse Ron. Ja, selbst seine tote Mutter scheint lebendiger zu sein als der Titelheld, an dem alles vorbeizieht. Der zwar Anteilnahme zeigt, aber kaum eigene Impulse setzt.
Einerseits ist das natürlich auch irgendwo der Punkt an Jonathan, dass hier ein junger Mann vom Leben überwältigt wird und lernen muss, mit all diesen Punkten zurechtzukommen und seine eigene Stimme zu finden. Und wie sehr der Protagonist von all dem überfordert wird, das lässt sich dank der Darstellung von Jannis Niewöhner auch sehr schön sehen. Es emotional nachzuvollziehen, gestaltet sich da schon schwieriger. Das liegt auch daran, dass Lewandowski offensichtlich sehr viel zu erzählen hat und der Ansicht war, das alles hier schon in seinem Spielfilmdebüt unterbringen zu müssen. Das ist dann nicht nur für seine junge Titelfigur ein bisschen viel, auch als Zuschauer hätte man sich da mehr Zurückhaltung gewünscht.
Wichtig sind die Themen dabei für sich genommen schon. Allein schon der Umgang mit dem Tod und die Frage der richtigen Sterbebegleitung, wären es wert gewesen, einen eigenen Film daraus zu machen. Nur muss sich dieser Aspekt den Platz mit vielen anderen teilen, in nur etwas mehr als anderthalb Stunden auch noch. Dass das nicht für allzu viel Tiefe reicht, sollte daher niemanden überraschen. Statt einem allmählichen Eintauchen in die Thematik reicht es daher oft nur für schicke Schlagworte. Das macht das reichhaltige Angebot zwar bekömmlich, gleichzeitig aber auch irgendwie künstlich. Konstruiert. Jonathan mag durchaus vom Leben inspiriert sein, es fühlt sich jedoch nur selten danach an.
Vor allem das dunkle Familiengeheimnis enttäuscht doch eher. Nicht nur, dass eigentlich jeder hier vorausahnt, worum es geht – bis auf Jonathan –, es wird zum Ende hin so schnell abgefertigt, als wäre es eigentlich doch nicht so wichtig gewesen. Und das obwohl eben auf diesem Geheimnis alles andere fußt. Ein Gespür für sensible Szenen beweist Lewandowski an mehreren Stellen. Beim nächsten Film gesellt sich hoffentlich auch die Geduld dazu, diesen mehr Luft zum Atmen zu geben und so eine etwas natürlichere Entwicklung zu ermöglichen.
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