(„Kubo and the Two Strings“ directed by Travis Knight, 2016)
Im 129. Teil unseres fortlaufenden Animationsspecials treffen wir alte Bekannte wieder, die auch bei ihrem vierten eigenen Spielfilm eindrucksvoll unter Beweis stellen, wie viel Eleganz und visuelle Opulenz in der Stop-Motion-Technik steckt. Da wird der Inhalt fast zur Nebensache.
„Bei Anbruch der Dunkelheit musst du wieder zu Hause sein!“, bläut Kubos Mutter ihrem einäugigen Sohn immer wieder ein. Übertriebene Sorge? Nein, es ist mehr als das, wie der Junge eines Tages feststellt. Fasziniert von dem bunten Treiben beim Lampenfest im nahegelegenen Dorf vergisst Kubo die Zeit und steht plötzlich einer furchteinflößenden Hexe gegenüber. Seine Tanten sind es, wie er herausfindet, die ihn da attackieren. Im letzten Moment eilt ihm seine magiebegabte Mutter zur Hilfe und zaubert ihn an einen fernen Ort. Doch damit fängt das eigentliche Abenteuer erst an: Gemeinsam mit einem Affen und einem riesigen Käfer muss er sich auf die Suche nach der mächtigen Rüstung seines verstorbenen Vaters machen, um sich gegen seine Tanten und seinen Großvater zur Wehr setzen zu können, die es aus irgendeinem Grund auf ihn abgesehen haben.
So sehr man Animationsstudios wie Illumination (Minions, Pets) dafür bewundern muss, wie sie mit minimalen Mitteln eine maximale finanzielle Ausbeute bei Kindern erreichen, so sehr sind die Kollegen von Laika (Coraline, ParaNorman) dafür zu bewundern, wie sie kontinuierlich an Zielgruppen vorbeiproduzieren. Die erfolgreichsten Animationsfilme, das waren immer die, die junge wie erwachsene Zuschauer gleichermaßen ansprechen. Kubo – Der tapfere Samurai tut das auch, gleichzeitig aber auch das Gegenteil. Wie schon die bisherigen Werke der Amerikaner ist die Geschichte um den einäugigen Jungen eigentlich zu düster für die heutige Auffassung von Kinderfilmen – visuell wie inhaltlich. Für Erwachsene hingegen ist die Fabel etwas zu simpel, setzt sich aus zu vielen abgenutzten Elementen zusammen. Nichts Halbes und nichts Ganzes, möchte man meinen. Und doch ist das Ergebnis mehr als das, mehr als die Summe der Bestandteile.
Da wäre zunächst einmal die Optik, die erneut ihresgleichen sucht. Anders als Aaardman Animations (Chicken Run, „Shaun das Schaf – Der Film“) – die zweite derzeitige Referenz im Stop-Motion-Bereich – scheuen Laika nicht davor zurück, die altehrwürdige Technik mit neuen Methoden zu kombinieren. Wie bei den Vorgängern auch kommen hier 3D-Drucker zum Einsatz, dank derer die Puppen in derart vielen Versionen produziert werden können, um ihnen eine sagenhafte Ausdruckskraft und Variabilität zu verleihen. Oftmals ist Kubo sogar derartig geschmeidig in seinen Animationen, dass man hier schon gar nicht mehr wirklich sagen kann, ob das tatsächlich noch Stop Motion oder doch reines CGI ist. Das wird Puristen stören, und ein klein wenig des üblichen Ruckelflairs ist hier dann auch verlorengegangen. Aber spätestens wenn das Heldentrio sich elegant-spektakuläre Martial-Arts-Gefechte mit den Gegnern liefert, dann wird auch der letzte Kritiker verstummen.
Dabei überzeugt Kubo auch in den vielen leisen Momenten. Wunderbar ist beispielsweise der Einfall, dass unser Titelheld sich in magischem Origami versteht, mit Hilfe seines Shamisen genannten traditionellen japanischen Musikinstruments Papier in die verschiedensten Formen verwandeln kann. Und Travis Knight, Präsident von Laika, der hier sein Regiedebüt gibt, versteht es auch, diese Fähigkeit für ebenso fantastische wie zuweilen komische Situationen zu nutzen. Zu lachen gibt es bei dem Film natürlich auch mehr als genug, gerade durch die kuriosen Begleiter des Jungen, die sich ständig in den Haaren liegen. Das mag manchmal ein bisschen albern werden, ist aber doch meilenweit von der aufdringlichen Slapstickpenetranz anderer großer amerikanischer Animationsstudios entfernt, die alles und jeden für den nächsten Gag zu opfern bereit sind.
Um Opfer geht es aber natürlich auch hier, die stark an fernöstliche Legenden und Sagen angelehnte Geschichte steckt voller Figuren, die für die gerechte Sache, vor allem aber geliebte Menschen alles aufzugeben bereit sind. Die eine oder andere emotionale Szene gibt es dann wie zu erwarten, manchem wird es vielleicht sogar zu rührselig werden. Vorhersehbar ist Kubo ohnehin, bei der Handlung werden keine allzu großen Experimente gewagt. Aber wie so oft ist hier die Reise das Ziel: Immer wieder verzaubert der Animationsfilm durch schöne bis bizarre Momente, erzählt ein Märchen, das sich wie einst auch nicht so sehr darum kümmert, wer da im Publikum sitzt und deshalb zu etwas ganz Besonderem wird. Kubo ist gleichzeitig modern und doch nicht aus dieser Zeit, fest mit dieser Welt und existenziellen Themen wie Trauer, Verlust, Erinnerungen und eben auch Liebe verbunden, und dabei doch ein Ort, an dem Magie und Vorstellungskraft keine Grenzen zu kennen scheinen.
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