(„Chocolat“ directed Roschdy Zem, 2015)
Einen schwarzer Clown? Sowas hat es Ende des 19. Jahrhundert in Frankreich noch nicht gegeben. Doch als der Clown George Footit (James Thierrée) bei seiner Reise durchs Land den aus der Sklaverei entflohenen Rafael Padilla (Omar Sy) in einem Wanderzirkus entdeckt, kommt ihm eine Idee. Ein Clown-Duo, wie es vorher noch nie jemand gesehen hat! Der zunächst skeptische Rafael willigt ein und tauscht die grimmige Mimik, mit der er bislang die Besucher erschreckte, gegen ein herzhaftes Lachen. Der Erfolg der beiden lässt nicht lange auf sich warten, die Zuschauer sind entzückt und schon bald bekommen sie ein Angebot, welches sie in die Hauptstadt Frankreichs und in deren angesehenstes Varieté führt. Die beiden wachsen zu wahren Superstars der Szene heran und dennoch bekommt Rafael die Missgunst derer zu spüren, die ihm den Erfolg aufgrund seiner Hautfarbe und Herkunft nicht gönnen wollen.
Rassismus ist und bleibt bedauerlicherweise ein aktuelles Thema der Nachrichtenwelt. Der weiße Tyrann und das schwarze Opfer nehmen dabei den wohl größten Platz im ohnehin schon geschichtsträchtigen Wartezimmer ein. Filme die sich mit dieser Thematik beschäftigen gibt es zu Genüge und sprießen wie die Radieschen aus dem nährreichen Hollywoodboden. Manche schaffen es, diese dunkle Seite der menschlichen Ignoranz respektvoll einzufangen, während andere mit überzogenem Tränentheater das Vermächtnis der Betroffenen in den Schmutz ziehen, auf die bewegende Geschichte eines schwarzen Clowns im 19. Jahrhundert kam bis dato niemand. Umso beeindruckender ist es, dass es jenes Clown-Duo tatsächlich gab und Rafael Padillas historischer Meilenstein kein kreatives Hirngespinst ist. Der französische Regisseur Roschdy Zem (Bodybuilder) nimmt sich dieser bedeutenden Geschichte an und erweckt sie, mit Hilfe des tragenden Duos Omar Sy (Inferno, Ziemlich beste Freunde) und James Thierrée (Love Battles), erneut zum Leben.
Wenn die beiden in ihren Rollen die Bühne betreten, ist der nächste Lacher schon vorprogrammiert. Tritte in den Hintern und Ohrfeigen von links und rechts, über Humor lässt sich bekanntlich streiten, doch über ihren Erfolg ist sich die ganze Nation einig. Spielzeuge, Filme, Plakate etc., ihre Gesichter sind ein Garant für gefüllte Säle. Footit und Chocolat – Vom Sklaven zum Zirkuskannibalen zum Clown, eine Erfolgsgeschichte wie sie im Buche stehe, so mag man glauben. Die ungleichen Freunde, die gemeinsam im Pariser Varieté die Menschenmassen zum Lachen bringen und von mageren Tageslöhnen zu fürstlichen Honoraren aufsteigen. Das ungleiche Duo funktioniert, harmoniert, zeigt nach seiner Ankunft in Paris allerdings, dass Rafael nicht ohne Grund der namensgebende Charakter des Films ist. Von Footit fehlt bis auf die Auftritte jegliche Spur, was die zu Beginn wachsende Freundschaft nicht nur auf eine wacklige Basis stellt, sondern auch für den Zuschauer schwer zugänglich macht. Sein Privatleben bleibt außen vor, stattdessen dürfen wir Chocolat auf Schritt und Tritt verfolgen, wie er sich von einer Liebe in die nächste wirft, dem Hass und Neid der priviligierten Bevölkerung aussetzt und beim Glücksspiel Haus und Hof verliert.
Wer mit Monsieur Chocolat eine herzhafte Komödie erwartet, der wird enttäuscht. Vielmehr zeigt er die ungeschminkte Wahrheit eines schwarzen Clowns, eines Künstlers des 19. Jahrhunderts. Natürlich wird gelacht, mag der Humor auch noch so fremd für die Neuzeit wirken. Im Mittelpunkt der Manege ist Zems neuestes Werk aber ein tragisches Drama, mit einem ruhmlosen Ende. Genau diese schicksalsschweren Erlebnisse des legendären Rafael Padilla verleihen dem Ganzen eine unverkennliche Menschlichkeit, die in ihrer Atmosphäre und Erzählstruktur nicht immer standfest zu sein scheint, die Pointe jedoch nie aus den Augen verliert und Omar Sy eine weitere Plattform bietet, um sein künstlicheres Talent unter Beweis zu stellen.
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