(„Nirgendwo“ directed by Matthias Starte, 2015)
Die Nachricht kommt ziemlich schockierend für Danny (Ludwig Trepte): Sein Vater ist tot, ganz plötzlich, am Abend zuvor. Groß war der Kontakt nicht mehr gewesen, auch wegen der bevorstehenden Prüfungen zieht es den BWL-Studenten nicht unbedingt nach Hause. Nur auf Drängen seiner Schwester Kirsten (Amelie Kiefer) und Kumpel Rob (Dennis Mojen) beschließt er doch noch, in die alte Heimat zu fahren. Zumindest bis zur Beerdigung. Aber es kommt anders: Die Zeit im Familienhaus wird für ihn zu einer Reise in die Vergangenheit und er beginnt, sein aktuelles Leben in Frage zu stellen. Umso mehr, da auch seine Freunde (Jella Haase, Ben Münchow, Frederik Götz) mit der Entscheidung hadern, in welche Richtung es eigentlich weitergehen soll. Und dann wäre da auch noch Susu (Saskia Rosendahl), für die er auch Jahre nach der Trennung immer noch Gefühle pflegt.
Das Schlimmste, was einem jungen Menschen passieren kann, ist Eltern zu haben. Den Eindruck zumindest erweckt Nirgendwo, der eine Gruppe von Freunden in die Sinnkrise entlässt. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil in dem Film praktisch keine Eltern auftauchen. Hin und wieder sind sie wenige Sekunden im Bild, oft sind sie aber nur angedeutete Schatten im Hintergrund, welche auf den Lebenswegen der Protagonisten liegen. Einerseits ist das passend, schließlich will das Jugenddrama davon erzählen, wie sehr wir von den Umständen geprägt sind, wie schwer es dabei ist, einen eigenen Weg zu finden. Gleichzeitig wirkt es aber auch befremdlich, nicht natürlich, wie hier einzelne Aspekte herausgenommen und ohne Kontext präsentiert werden. Beides, die Sinnsuche und die Losgelöstheit, zeichnen das Kinodebüt von Regisseur und Drehbuchautor Matthias Starte aus. Beides wird diesem mit der Zeit zum Verhängnis.
Was Starte gut gelingt: Er nimmt einen zurück in die Zeit zwischen 20 und 25 Jahren, als sich einem plötzlich alle Wege öffnen und man vor lauter Auswahlmöglichkeiten keinen Schritt mehr gehen kann. Strebe ich einen sicheren Beruf an oder verfolge ich meine Träume? Will ich mich jetzt schon an einen Menschen binden oder erst einmal mein eigenes Leben führen? Sesshaft werden oder die Welt entdecken? Worauf kommt es an? Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Es sind existenzielle Fragen, die in der Clique umgehen. Fragen, auf die keiner eine Antwort hat oder geben will: die Jugendlichen nicht, die Eltern nicht, Starte nicht.
Das Problem von Nirgendwo sind weniger die berechtigten existenziellen Überlegungen, sondern dass es das Drama verpasst, sie auf eine lebensnahe miteinander zu verbinden. Wenn hier ungewollte Schwangerschaften, tragische Todesfälle, tyrannische Elternteile und psychische Erkrankungen aufeinandertreffen, dann geschieht das so geballt, als würde jemand eine Liste abarbeiten. Das funktioniert vereinzelt, jedoch nicht in der Summe, vor allem nicht, da die Übergänge fehlen. Im einen Moment stehen sich Danny und Susu noch unschlüssig gegenüber, sprechen davon, dass ihre Trennung damals nicht ohne Grund passierte. Im nächsten sind sie schon wieder liiert, als wäre nie etwas gewesen.
Es ist der Feinschliff, der hier fehlt, die Nuancen. Die Themen stehen im Vordergrund, nicht die Figuren, was sich immer mal wieder in übertriebenen Szenen oder nicht nachvollziehbaren Dialogen zeigt, gerade zum Ende hin nimmt die Glaubwürdigkeit stark ab. Dass da mehr drin gewesen wäre, das beweisen eine Reihe durchaus sehr schöner Szenen, die von wunderbaren Aufnahmen und dem talentierten Ensemble getragen werden. Kleine Momente des Glücks oder auch der Unsicherheit, wenn Jugendliche einfach mal Jugendliche sein dürfen. Sich ausprobieren können, ohne dass daraus gleich wieder ein Exkurs über die Schwierigkeiten des Lebens würde.
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