(„The Maxx“, 1995)
In Teil 127 unseres fortlaufenden Animationsspecials wird es wieder Zeit für einen persönlichen Favoriten. Eine Zeichentrickserie, düster, surreal und komisch, wie sie wohl nur in den 90ern produziert werden konnte, die viele typische Elemente enthielt und dabei doch völlig einzigartig war.
Es sind die Schwachen und Schutzlosen, derer sich die Sozialarbeiterin Julie annimmt. Diejenigen, die es allein da draußen nicht mehr schaffen. Leute wie Maxx. Der hat zwar die Statur eines Schrankes und kann seine mächtigen Klauen einsetzen, um sich durch ganze Horden von Feinden zu metzeln. Und das tut er auch, da draußen im Outback, wo er seine Dschungelkönigin vor den gefährlichen Bestien beschützt. Doch in der Stadt, da will ihm nicht wirklich etwas gelingen. Eigentlich liegt er die meiste Zeit nur in seinem Karton in einer Seitengasse, wenn er nicht gerade im Knast oder auf Julies Sofa vor sich hin vegetiert. Erst als der Serienmörder und Vergewaltiger Mr. Gone es auf seinen Schutzpatron abgesehen hat, nimmt Maxx den Kampf auf. Aber was genau will der Verbrecher eigentlich von Julie? Und weshalb scheint er so viel über sie zu wissen?
Man muss schon ein wenig älter sein, um sich daran zu erinnern, dass MTV einmal Music Television bedeutete. Und noch älter, um zu wissen, dass der teils alternativ angehauchte Musiksender in den 90ern das Sammelbecken einiger unglaublicher Zeichentrickserien war. Am ehesten sind es noch die Pöbel-Hardrocker Beavis and Butt-head bzw. deren satirisches Schul-Spinoff Daria, welche noch in den Köpfen verankert sind. Hinter den Vorzeigewerken tummelten sich aber noch eine Reihe surrealer Kollegen, wie sie bis heute einzigartig sind. Aeon Flux zum Beispiel. Oder auch The Head und The Maxx, die in der bezeichnenderweise Oddities genannten Programmschiene liefen.
Die Geschichte um den obdachlosen Schützer ging dabei auf die gleichnamige Comicreihe des Amerikaners Sam Kieth zurück, der hier auch als Co-Produzent auftrat. Dass eine gedruckte Fassung die Vorlage bildete, merkt man The Maxx oft an, viele Szenen und Bilder wirken allein schon aufgrund der Komposition und Perspektiven so, als hätte man gerade ein Heft vor sich. Dass die Serie etwas Vertrautes an sich hat, liegt aber natürlich auch daran, dass einige Elemente zum Standardrepertoire gehören: ein bärenstarker Superheld, der es zeitgleich mit Dutzenden Gegner aufnimmt, eine vollbusige Blonde an seiner Seite, die es zu beschützen gilt, der diabolische Gegenspieler.
Und doch ist hier alles anders. Maxx selbst ist anders, mit seinem lilafarbenen Körper und dem grotesken Überbiss, der Unfähigkeit, ein eigenes Leben zu führen. Julie ist anders, wehrhaft und nicht auf den Mund gefallen. Und auch Mr. Gone ist irgendwie anders, über seine Gelüste nach Blut und Frauenkörpern hinaus bleibt er über weite Strecken ein großes Rätsel. Aber von denen gibt es ohnehin mehr als genügend in der Serie. Immer wieder wechselt The Maxx zwischen der realen Großstadt und dem Dschungelland hin und her, in oftmals skurrilen Übergängen. Dass beide Ebenen zusammenhängen ist klar, wird auch immer wieder von den Protagonisten angesprochen. Aber auf welche Weise, wer hier eigentlich wessen Abbild, wer wessen Traum ist, das wird erst relativ spät deutlich.
Das allein wäre schon Grund genug, sich die Zeichentrickserie einmal anzuschauen, spannend ist die Suche nach der Wahrheit unbedingt. Aber sie ist gleichzeitig auch komisch, wenn wieder einmal Klischees auf den Kopf stellt. Faszinierend bei den vielen surrealen, geradezu alptraumhaften Szenen, die einen in beiden Welten verfolgen. Und: The Maxx ist todtraurig, eine Geschichte über Traumata, Verdrängung, Schmerz.
„Once I decided not to kill myself I thought things would be better. But I feel just as empty as ever.“
Da die Serie zudem visuell einfallsreich war, verschiedene Stile ebenso traumwandlerisch miteinander kreuzte wie die zwei Welten, ist The Maxx bis heute ein Muss für die Freunde düsterer, tatsächlich erwachsener Geschichten, das sich ernsten Themen gleichermaßen respektvoll wie originell zuwendet. Vorwerfen kann man der Comic-Adaption höchstens, dass sie platzbedingt – die 13 Folgen sind jeweils nur knapp zehn Minuten lang – vieles nicht so ausarbeiten konnte wie im original, sie teils unnötig konfus ist. Und auch, dass sie so schwer zu bekommen ist: Wer das abgründig-bewegende Werk als DVD sein eigen nennen will, ist auf teils recht teure Importe aus den USA angewiesen. Aber es ist eine Investition, die sich lohnt.
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