(„Subete ga F ni Naru“ directed by Mamoru Kanbe, 2016)
Für einen Moment konnte Professor Sōhei Saikawa sein Glück kaum fassen: Er wird tatsächlich dank seiner Studentin Moe Nishinosono die berühmte Programmiererin Shiki Magata treffen! Nur wenige können das von sich behaupten, da .die Koryphäe zurückgezogen auf einer fernen Insel lebt. Das Glück ist jedoch nur von kurzer Dauer, als die beiden feststellen, dass die Wissenschaftlerin tot ist. Mehr noch, jemand hat sie ermordet und auf bizarre Weise verstümmelt. Und wer auch immer das getan hat, er muss noch immer da sein, denn kurze Zeit später finden sie eine zweite Leiche. Abgeschnitten von der Außenwelt bleibt der Exkursion nichts anderes übrig, als den Täter zu finden, bevor er ein weiteres Mal zuschlägt.
Meistens waren es ja Adaptionen von Mangas oder Neuentwicklungen, die in den letzten zehn Jahren bei noitaminA zu sehen waren. Doch dann und wann verirrte sich auch einmal eine Romanverfilmung dazwischen. Und wie es sich für die alternative Anime-Programmschiene gehört, so war das Ergebnis oft außergewöhnlich. Siehe den umwerfenden Studentenirrsinn von The Tatami Galaxy oder das alptraumhafte Shiki. Auch The Perfect Insider, welches auf dem Buch von Hiroshi Mori (The Sky Crawlers) basiert, darf von sich behaupten, nicht so ganz dem zu entsprechen, was die japanische Zeichentrickzunft normalerweise auf die Bildschirme bringt. Dafür sorgt schon allein das Genre, welches irgendwo zwischen Krimi und Mystery-Thriller angesiedelt ist und nur selten Besuch aus Fernost erhält.
Tatsächlich weckt The Perfect Insider recht schnell Erinnerungen an den wohl berühmtesten Vertreter der Krimigeschichte: „Und dann gab’s keines mehr“ von Agatha Christie. Wie beim Klassiker auch ist hier eine Gruppe von Menschen auf einer abgelegenen Insel, als ein Mord geschieht, dann ein zweiter, und ihnen bald dämmert, dass der Schuldige in ihrer Mitte weilen muss. Mori ging sogar noch einen Schritt weiter, indem er nicht nur die Identität des Mörders zu einem Rätsel machte, sondern auch den Mord an sich. Der Raum war hermetisch abgeschlossen, seit 15 Jahren war kein Mensch hineingegangen. Wie also konnte Magata auf eine derart groteske Weise getötet werden, ohne dass etwas auf der Überwachungskamera zu sehen ist? Auch das unterscheidet die Serie von dem berühmten Vorfahren: Kerzenleuchter und Holzschuppen gehören der Vergangenheit an, im Krimi der Zukunft gibt es Roboter und verworrene Computerprogramme.
Verworren ist dann auch die Serie an sich, zunächst auf eine wohlige Art und Weise, atmosphärisch dicht und fesselnd, ein großes Rätsel, das es zu lösen gilt, eine dunkle Vergangenheit. Später ist The Perfect Insider jedoch anderweitig verworren, sehr viel weniger positiv. Zum einen scheint die Geschichte zwischenzeitlich völlig zu vergessen, worum es ihr eigentlich geht. Nicht nur, dass das anfängliche Versprechen auf Nervenkitzel nicht eingelöst wird, statt sich weiter um das Schicksal der Toten zu kümmern, erzählt der Anime hauptsächlich von seinen beiden Protagonisten, deren Beziehung irgendwo zwischen Romantik und Vater-Tochter steckengeblieben ist. Förderlich für die Spannungskurve ist das eher weniger, zumal weder Saikawa noch Nishinosono mit übermäßig interessanten Charakterzügen prahlen können.
Und selbst wenn der Anime im späteren Verlauf sich wieder stärker auf seine Ausgangssituation konzentriert, ähnlich überzeugend wie zu Beginn wird es nicht mehr. Dafür sind die Ermittlungen vielleicht auch platzbedingt – 11 Folgen sind nicht viel für eine Romanadaption – zu kurz und sprunghaft, machen es nicht immer leicht, ihnen zu folgen. Vor allem aber die Auflösung ist doch recht enttäuschend, Motiv und Methode versuchen nicht einmal wirklich, Sinn zu ergeben. Etwas besser sieht es bei der Optik aus: Das Studio A-1 Pictures (AnoHana, Sekai Seifuku) verzichtete bei der Gestaltung der Hintergründe zwar auffällig auf Details und vertraute auch ein bisschen übermäßig der Kraft des Computers. Dafür fand es sehr schöne Bilder, um den abgefahreneren Stellen zum Ausklang hin ein visuell ebenbürtiges Gegenstück zu geben – den surrealen Welten von Vanishing Waves nicht unähnlich. Ganz reicht es trotz des ordentlichen Endspurts zwar nicht für eine Empfehlung, dafür sitzt der Frust über den unbefriedigenden Inhalt dann doch zu tief. Angesichts der zahlenmäßig äußerst bescheidenen Mystery-Anime-Konkurrenz, dürfen Genrefreunde es aber zumindest mal hiermit versuchen.
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