(„The Witch“ directed by Robert Eggers, 2015)
Es ist, als ob ein Fluch auf der Familie liegt. Das tiefreligiöse Ehepaar William (Ralph Ineson) und Katherine (Kate Dickie) muss im 17. Jahrhundert die Kirche aufgrund von Meinungsverschiedenheiten verlassen und ein neues Leben nahe eines Waldes in Neuengland beginnen. Nur will das nicht so recht klappen, Geld, Nahrung, es mangelt ihnen an allem. Und dann verschwindet auch noch das Jüngste ihrer fünf Kinder spurlos. Tochter Thomasin (Anya Taylor-Joy), welche auf ihren kleinen Bruder hätte aufpassen sollen, gerät deshalb, aber auch aus anderen Gründen zunehmend unter Druck. Als einige Zeit später ein weiteres Unglück geschieht, ist sich die Familie einig, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht – und auch hier steht die junge Thomasin unfreiwillig im Mittelpunkt.
Es ist schon eine interessante Erfahrung, kurz hintereinander Blair Witch und The Witch gesehen zu haben. Zwei Filme, die auf den ersten Blick doch ein sehr ähnliches Szenario haben, spielen sie beide in abgelegenen Wäldern im Nordosten der USA, in denen eine Hexe umgehen soll. Und doch könnten die beiden Werke unterschiedlicher kaum sein, wie sie sich dem Thema annähern. Wo Adam Wingard auf letztendlich recht billige Schockeffekte setzte, die Authentizität und Subtilität des Vorgängers unter lautem Getöse begrub, ist The Witch deutlich zurückhaltender. So zurückhaltend, dass der Streifen wie kaum ein anderer dieses Jahr die Zuschauer spaltete: Von den Kritikern gefeiert, von dem Publikum tendenziell eher ablehnend aufgenommen.
Das mag an den gewaltigen Vorschusslorbeeren gelegen haben, die der Beitrag von den Fantasy Filmfest Nights 2016 aus den USA bekommen hatte. Oder auch an dem Trailer, der sich sehr auf die horrorlastigen Elemente stürzte und damit falsche Erwartungen weckte. Denn schon bei der Frage, ob The Witch überhaupt ein Horrorfilm ist, gehen die Meinungen weit auseinander. Natürlich gibt es das übernatürliche Element, daran lässt Regisseur und Drehbuchautor Robert Eggers auch nur wenig Zweifel. Aber das ist nicht nur physisch weit weg, irgendwo im undurchsichtigen Wald verborgen. Es hat auch mit der Familie nur am Rand zu tun, bringt lediglich das zum Vorschein, was längst schon da war.
Und das ist hässlich, sehr hässlich sogar. Der eigentliche Horror in The Witch, das sind keine Hexen oder Teufel, sondern die Menschen. Menschen, die sich vom ersten Moment an das Leben im Diesseits schon zur Hölle machen. Schon der Beginn, wenn die Familie mit den anderen Gläubigen aneinander gerät, ist unangenehm. Wenn die Konflikte später innerhalb der Familie stattfinden, wird es zuweilen sogar unerträglich. Das ist auch deshalb erschreckend, weil die Dialoge von real überlieferten Texten inspiriert wurden. Inmitten von Verfluchungen und Bibelversen, der ständigen Selbstgeißelung als Kinder der Erbsünde: Thomasin. Die ist kein reines Kindes mehr, steht an der Grenze zur Frau, darf aber keine sein. Ein klassisches Thema, bis heute aktuell und immer wieder aufgegriffen, trotz des altertümlichen Englisch – der Film spielt im Jahr 1630 – hätte die Geschichte auch im Hier und Jetzt erzählt werden können. Der Horror von The Witch, es ist auch einer des Erwachsenwerdens und des Nicht-Erwachsenwerden-Dürfens.
Auch wenn die Figuren nicht allzu deutlich gezeichnet sind, spannend ist das durchaus – umso mehr dank der fabelhaften Atmosphäre. Eggers hatte vor seinem Regiedebüt vor allem als Production bzw. Costume Designer gearbeitet. Und so sehr man sich über die weitestgehend ereignislose Geschichte streiten kann, die farbentleerten Bilder der Hütte und des Waldes sind eindeutig nicht von dieser Welt. Zusammen mit der bedrohlichen Soundkulisse und vereinzelt furchteinflößenden Tieraufnahmen glaubt man den Eltern auch, wenn sie überall das Böse sehen. Dass dieses zum Ende dann doch expliziter wird, hätte es nicht unbedingt gebraucht, ganz ausgeglichen ist diese Mischung aus Historien-Familiendrama und Hexen-Horror nicht. Aber es ist ein beeindruckendes Erstlingswerk des Amerikaners, welches einen schon etwas auf die Folter spannt, was da noch nachfolgen mag.
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