(„Willkommen bei den Hartmanns“ directed by Simon Verhoeven, 2016)
SSo richtig viel Spannung hält das Leben für Angelika Hartmann (Senta Berger) ja nicht mehr bereit, keiner in der Familie braucht sie mehr: Ihr Mann Richard (Heiner Lauterbach) hat vor lauter Alterssorgen keinen Blick mehr für sie, Sohn Philipp (Florian David Fitz) ist mit Karriere, Scheidung und dem vorlauten Enkel Basti (Marinus Hohmann) beschäftigt, Tochter Sofie (Palina Rojinski) weiß mit Anfang dreißig immer noch nicht, was sie vom Leben will. Da kommt der engagierten alten Dame eine Idee: Warum sich nicht für die armen Flüchtlinge einsetzen, welche es zuletzt in München zuhauf gibt? Gesagt getan, kurze Zeit später zieht der aus Afrika stammende Diallo (Eric Kabongo) bei ihnen ein. Und das Chaos gleich mit.
Nachdem sich Simon Verhoeven zuletzt bei Unfriend am Horrorgenre versucht hat, wendet sich der deutsche Regisseur und Drehbuchautor bei seinem neuesten Werk einem anderen Thema zu, das hierzulande für viele schlaflose Nächte und blankes Entsetzen gesucht hat: die Flüchtlingsproblematik. Das haben andere Kollegen natürlich auch schon, sei es der Dokumentarfilm Café Waldluft oder das Drama Dämonen und Wunder – Dheepan. Aus dem Stoff eine Komödie machen zu wollen, hier in Deutschland, anstatt die Betroffenheitsschiene zu fahren, das muss man sich in der aktuellen Debatte aber erst einmal trauen.
Schön ist dabei, wie Verhoeven nicht den einfachsten Weg geht und sich über dümmliche Parolenschwinger am rechten Rand lustig macht. Auch die Helfer bekommen hier ihr Fett ab – allen voran Ulrike Kriener als Flüchtlingsaktivistin, die einen mit ihrer übermotivierten Art fast schon aus Trotz zum Schlechtmenschen werden lässt. Sympathisch sind diese satirischen Spitzen und die Weigerung, aus Furcht vor Reaktionen ständig politisch korrekt sein zu müssen. Es gibt überall Idioten, heißt es an einer Stelle in Willkommen bei den Hartmanns. Und diese Aussage mag man anschließend auch aus voller Überzeugung unterschreiben. Aber diese etwas bissigere Richtung ist nur eine von vielen, die der Humor einschlägt. Leider. Während es gerade im ersten Drittel eine Menge witziger Stellen gibt, scheint Verhoeven irgendwie alles mal ausprobieren zu wollen, um sein Publikum zum Lachen zu bringen. Da gibt es Culture-Clash-Episoden, die nun wirklich zum kleinsten gemeinsamen Nenner im Komödienfach gehören, auch vor billigem Klamauk ist man hier nicht gefeit: siehe Uwe Ochsenknecht, der einen wohl schrill gemeinten, letztendlich aber nur anstrengenden Schönheitschirurgen mimen darf.
Und nicht nur der Humor wirkt mitunter etwas ziellos, der Film insgesamt scheint nicht so recht zu wissen, worüber er eigentlich reden will. Das Thema der Flüchtlinge spielt zeitweise keine Rolle mehr, wenn es nur noch um die Hartmanns und ihre innerfamiliären Konflikte geht. Willkommen bei den Hartmanns wird an diesen Stellen zu einer Ensemblekomödie, die sich mehr für die Figuren interessiert als für eine eigentliche Geschichte. Doch eben das nimmt dem Werk zunehmend die eigene Identität, indem hier ein Allgemeinplatz nach dem anderen abgegrast wird. Braucht es wirklich noch eine Komödie, die wie bei Philipp und Basti die Wichtigkeit von Familie gegenüber Arbeit betont? Auch Elyas M’Barek scheint letztendlich nur deshalb dabei zu sein, um noch auf Biegen und Brechen eine Romanze ins Potpourri zu bringen. Und zur Steigerung des kommerziellen Potenzials natürlich.
Das ist auf der einen Seite verständlich, denn bei aller Wichtigkeit des Themas will man bei Willkommen bei den Hartmanns vor allem eins: Geld verdienen. Das bedeutet jedoch als Folge, dass Verhoevens Lust an der Provokation mit einer befremdlichen Mutlosigkeit einhergeht: Für jedes Element, das jemand verschrecken könnte, muss noch eins her, das auf jeden Fall funktioniert. Zeitweise macht das großen Spaß, gerade Senta Berger – die Mutter von Verhoeven – hat so viele wunderbare Momente, dass der Film sich allein deswegen lohnt. Zeitweise ärgert es aber oder langweilt zumindest, besonders bei den vielen rührseligen Quoten-Szenen zum Ende hin und den unbeirrt dröhnenen Popnummern, die jedes Mal ertönen, sobald mal niemand etwas sagt. Das ist in der Summe immer noch ein nettes Porträt einer verkorksten Familie, nicht besser oder schlechter als das übliche deutsche Massenkino. Und vielleicht braucht es so etwas auch zur Beruhigung der besorgten bürgerlichen Seele. Schade ist es trotzdem, dass am Ende nicht mehr daraus wurde, sich Willkommen bei den Hartmanns in so viele Bereiche stürzt und dadurch die eigenen Stärken nicht wirklich würdigt.
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