(„Wir Monster“ directed by Sebastian Ko, 2015)
Im Leben von Sarah (Janina Fautz) geht es schon seit Längerem drunter und drüber. So hat sie ihrem Vater Paul (Mehdi Nebbou) und ihrer Mutter Christine (Ulrike C. Tscharre) die Trennung nicht verziehen, noch viel weniger, dass beide bereits neu liiert sind. Und dann fängt auch noch ihre beste Freundin Charlie (Marie Bendig) während eines Ausflugs an zu nerven! Es kommt zum Streit, ein Wort ergibt das andere, im Affekt stößt Sarah Charlie von der Staudammbrücke. Ihre Eltern sind schockiert, gleichzeitig aber fest entschlossen, die Tochter um jeden Preis zu schützen. Schließlich wusste niemand, dass die Freundin an besagtem Tag dabei war. Und so soll es nach Ansicht der beiden auch bleiben. Doch je länger das Mädchen verschwunden ist, umso schwieriger wird es, die Wahrheit zu verbergen.
Es ist schon ein ziemlicher Alptraum, den Regisseur und Co-Autor Sebastian Ko da für seine Zuschauer erzeugt. Vor allem für Eltern. Die Ehe von Paul und Christine ist gescheitert, das Verhältnis nach wie vor nicht das beste, Tochter Sarah lässt keine Gelegenheit aus, einem das Leben zur Hölle zu machen. Und dann auch noch das: Sie hat einen Menschen getötet, einfach so. Was tun? Moralisch ist die Sachlage klar. Geht es jedoch um das eigene Kind, dann zählen andere Kriterien. Die Wir Monster zugrundeliegende Frage ist daher ebenso einfach wie schwierig, ist das Publikum doch implizit dazu aufgerufen, darüber nachzudenken, wie es sich in der Situation verhalten hätte.
Das allein wäre schon genug Stoff für ein Drama gewesen, denn nicht nur die Entscheidung, den Tod zu verheimlichen, sorgt für Spannungen. Auch die Auswirkungen auf das eigene Leben wären es wert gewesen, etwas näher beleuchtet zu werden. Offensichtlich reichte Ko das jedoch nicht aus: Was ein früher Höhepunkt sein sollte, ist lediglich der Anfang, im Laufe der folgenden anderthalb Stunden wird sich Wir Monster immer weiter steigern. Das hat zuweilen fast schon komische Folgen, wenn Protagonisten und Mittel immer verzweifelter werden und wie in schwarzen Komödien üblich sich die Ereignisse überschlagen, um im absoluten Chaos zu enden. Aber so richtig lachen will man darüber nicht. Trotz der diversen etwas an den Haaren herbeigezogenen Übertreibungen.
Vielmehr ist das Thrillerdrama spannend. Spannend, weil nicht klar ist, wie die Beteiligten mit der Situation umgehen werden. Spannend, weil offen ist, ob das Geheimnis angesichts des steigenden Drucks wirklich unter Verschluss bleibt. Aber auch: spannend, weil sich die Situation mehrfach ändert. Sarah, die anfangs derart stark das Nervenkostüm belastet, dass man sie allein deshalb schon gern hinter Schloss und Riegel sehen würde, zeigt plötzlich eine andere Seite an sich. Eine, die man irgendwie nachvollziehen kann. Allgemein gelingt es Ko ganz gut, seine Figuren plausibel zu halten. Sie alle haben Schwächen, kämpfen mit dem Leben und der aktuellen Situation, ohne jedoch dabei aus dem Rahmen zu fallen. Genau das macht den Film aber auch so unangenehm, erinnert er uns doch daran, dass in uns allen ein Monster schlummert, welches bei passender – oder unpassender – Gelegenheit hervorbricht. So sehr wir auch daran glauben wollen, dass wir selbst anders gehandelt hätten, besser oder zumindest weniger dämlich, so glücklich können wir uns schätzen, dass wir das wahrscheinlich nie werden herausfinden müssen.
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