(„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ directed by Manfred Jenning, 1976)
Mahlzahn? Wer soll denn diese Mahlzahn sein? Die Einwohner von Lummerland sind ganz aufgeregt, als ein Paket für sie ankommt, das für eine Frau Mahlzahn bestimmt sein soll. Denn die kennt hier keiner. Und das ist seltsam, wo doch nur vier Menschen auf der Insel wohnen. Also beschließt König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte, dass Frau Waas das Paket an sich nehmen soll, ist sie doch die einzige Frau auf Lummerland. Was hat die dann gestaunt, als sie das Paket aufmacht und einen kleinen Jungen darin findet! Jim tauft sie ihn und soll fortan mit ihr den Gemischtwarenladen führen. Was dieser auch gern tut. Bis zu jenem Tag, als die Eisenbahn Emma abgeschafft werden soll. Das wollen er und der Lokomotivführer Lukas aber nicht akzeptieren. Und so machen sich die beiden auf den Weg über den Ozean und landen bald in einem fremden Land.
Viele Dutzend Filme und Serien hat die Augsburger Puppenkiste im Laufe ihres bald 70 Jahre langen Bestehens produziert. So viele, dass selbst Fans kaum alle kennen werden. Eine davon kennt jedoch jedes Kind, oder kannte zumindest, wer in den späten 70ern und frühen 80ern ein Kind war: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Schon einmal hatten sich die deutschen Puppenmeister des Buchklassikers von Michael Ende angenommen, 1961 war das, damals noch in Schwarz-Weiß. Berühmter ist jedoch die Neuauflage von 1976, welche dem Kinderbuch noch Farben abringen konnte.
Und von denen gibt es hier mehr als genug: Wenn Jim und Lukas in den vier Folgen einmal um die Welt reisen, das ferne China kennenlernen, die geheimnisvolle Drachenstadt, dann sind da viele Unikate dabei – Figuren wie Orte. Natürlich ist Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer kaum mit heutigen Animationsfilmen zu vergleichen, in denen mithilfe von dreistelligen Millionenbeträgen die wunderbarsten Welten aus dem Computer hüpfen. Da ist die Puppenvariante deutlich einfacher. Und doch ist es wie so oft bei den Augsburgern beeindruckend, wie viel sie aus dem Stoff herausholen konnten. Vor allem wenn das Abenteuer später actionreicher wird, das Duo diversen Gefahren ausgesetzt ist, haben Regieveteran Manfred Jenning und sein Team auch durch die geschickte Wahl von Perspektiven erstaunlich viel Dynamik ins Puppenhaus gebracht. Von den witzigen Figuren ganz zu schweigen.
Die Geschichte selbst ist ohnehin zeitlos, unabhängig von der Inszenierung. Zumindest fast. Wenn Jim anfangs als Negerbaby bezeichnet wird und die Chinesen die seltsamsten Dinge essen, dann ist das eindeutig ein Überbleibsel vergangener Zeiten, in einer heutigen Version wären solche Punkte längst der politischen Korrektheit zum Opfer gefallen. Einem chinesischen Kind den Namen Ping Pong zu geben, würde heute ebenfalls schnell als Rassismus gedeutet werden. Ansonsten aber steht einem Vergnügen im Jahr 2016 aber kaum etwas im Weg. 40 Jahre nach der TV-Produktion bzw. 56 Jahre nach dem Buch unterhält Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer durch seine Mischung aus Abenteuer, das mit viel Einfallsreichtum und Faszination für das Fremde einhergeht, und Humor. Letzterer ist tendenziell natürlich für ein jüngeres Publikum gedacht, wird an einigen Stellen aber so absurd, dass man sich aus als Erwachsener beim Lachen erwischt.
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