Paterson
© Weltkino

(„Paterson“ directed by Jim Jarmusch, 2016)

paterson
„Paterson“ läuft ab 17. November im Kino

Sehr viel Abwechslung gibt es im Alltag von Paterson (Adam Driver) ja nicht. Jeden Tag fährt er als Busfahrer dieselbe Route, schreibt kleine Gedichte, geht abends mit dem Hund spazieren und ein Bier in einer Bar trinken. Seine Frau Laura (Golshifteh Farahani) hat dafür umso mehr Ambitionen. Gitarre spielen steht ganz oben auf der Liste, auch mit ihren Muffins möchte sie Geld verdienen. Und wenn sie gerade mal nicht mit einem ihrer Projekte beschäftigt ist, dann dekoriert sie die Wohnung um – vorzugsweise in Schwarz-Weiß, ihrer Lieblingskombination.

Soll das jetzt komisch oder traurig sein? Diese Frage geht einem ja häufiger mal durch den Kopf, während man sich einen Film anschaut. Das liegt zuweilen durchaus an dem Unvermögen der Filmemacher, sich für eine von beiden Seiten entscheiden zu wollen, lieber von allem ein bisschen zu liefern, damit auch ja das ganze Publikum beglückt nach Hause geht. Bei Jim Jarmusch würde das sicher niemand behaupten wollen. So sehr zieht sich der Kult-Regisseur in seinen Filmen in eine eigene Welt zurück, dass das Publikum eher zu einem zufälliger Zuschauer wird. Jemand, der beim Vorbeilaufen etwas sieht.

Bei Paterson ist das auch so, und das obwohl der Amerikaner nach seinem Horrorausflug in Only Lovers Left Alive zu den Menschen und ihrem Alltag zurückkehrt. Es ist eigentlich sogar der Alltag, der hier im Mittelpunkt steht. Jarmusch zelebriert ihn geradezu, wenn er Paterson – der nicht zufällig so heißt wie die Stadt, in der er lebt – von Tag zu Tag schickt, ihn dabei eine Routine nach der anderen erleben lässt. Ein bisschen nach Und täglich grüßt das Murmeltier sieht es aus, wenn Paterson sich jeden Tag das Leiden seines Chefs anhören muss, den Briefkasten richtet oder den Hund ausführt.

Das hat natürlich etwas Komisches an sich, diese Mischung aus Gleichförmigkeit und Skurrilität, welche dadurch verstärkt wird, dass wir immer wieder dieselben starren Kameraeinstellungen sehen, oft von der Seite. Aber es ist eben nicht die Art Humor, die einen laut auflachen lassen soll. So mancher Zuschauer wird angesichts der vielen Banalitäten und der mangelnden Handlung auch nur mit den Schultern zucken, sich vielleicht sogar tierisch langweilen. Und doch ist es eine Wohltat in einer Zeit, in der Komödien meinen, einen notfalls mit Gewalt zum Lachen bringen zu wollen, einen derart zurückhaltenden, sich selbst genügenden Vertreter zu sehen. Einer, der das nötige Selbstvertrauen mit sich bringt, nicht ständig ängstlich auf die Reaktionen des Publikums zu schielen.

Gleichzeitig ist Paterson aber auch irgendwie traurig, zeigt uns Menschen, die Träumen hinterherjagen, sie dabei aber nie verwirklichen. Das wird nirgends deutlich als bei einem Mann, dem Paterson oft abends in der Bar begegnet und der vergeblich um eine Frau wirbt, die so rein gar kein Interesse an ihm hat. Aber auch Lauras Träume davon, als Country-Sängerin durchzustarten und gleichzeitig ein Cupcake-Imperium aufzubauen, sind in ihrer kindlichen Weltfremdheit gleichzeitig rührend wie bemitleidenswert.

Und doch sind es eben keine Verlierer im eigentlichen Sinn. Vielmehr ist es die Schönheit im Banalen, die Jarmusch uns hier vor Augen führt. Wenn Paterson zu Beginn ein Gedicht über seine Lieblings-Streichholz-Marke schreibt, wäre es ein leichtes, ihn als versponnenen Möchtegern-Künstler abzutun, der etwas sagen möchte, aber nichts zu sagen hat. Aber man würde ihm damit Unrecht tun. Je weiter der Film fortschreitet, je mehr wir von ihm hören, umso kraftvoller werden die Zeilen, umso stärker verliert man sich in seiner Welt, die eben doch die unsere ist. Umso mehr lernen wir die Schönheit zwischen Bushaltestellen und Flohmarktständen zu schätzen. Nicht zuletzt aufgrund von Adam Drivers Darstellung, die intensiv und zurückhaltend zugleich ist, wird aus diesem auf den ersten Blick wenig bemerkenswerten Außenseiter ein Mensch mit einer bemerkenswerten Würde. Ein Mensch, der sich im Alltag gefunden hat und trotz der leisen Melancholie seiner beiläufigen und aufmerksamen Poesie ein Glück ausstrahlt, um das ihn viele vermeintlich wichtigere Leute beneiden würden.



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Irgendwo zwischen skurriler Komik und verträumter Melancholie erzählt das angenehm zurückhaltende „Paterson“ die Geschichte eines Busfahrers, dessen Alltag von einer banalen Routine geprägt ist, beim Schreiben von Gedichten aber Würde und Glück findet.
8
von 10